Im Gespräch mit: Falko Löffler
Datum: Tuesday, 17.April. @ 18:19:46 CEST
Thema: Interview


Falko Löffler wurde 1974 in Lauterbach/Hessen geboren. In Marburg hat er Literatur- und Medienwissenschaft studiert und einige Jahre als Autor bei einem Videospiele-Entwickler in Frankfurt gearbeitet. Seit 2003 ist er freier Autor von Romanen, Drehbüchern und Computerspielen. Löffler lebt inzwischen mit seiner Familie wieder im Vogelsberg in der Nähe seiner Geburtsstadt. Anlässlich der Veröffentlichung seines Romans "Die Prophezeiung - Drachenwächter 1" sprach unser Mitarbeiter Carsten Kuhr mit dem Autor.

Hallo Falko. Wie kommt man als Gestalter von PC-Games dazu, einen Fantasy-Roman zu schreiben, der so ganz abseits der actionlastigen Kampfszenarien der erfolgreichen Spiele angesiedelt ist?

Es reicht mir eigentlich schon, wenn sich Computerspiele und Filme visuell immer ähnlicher werden. Von Fantasy-Romanen erwarte ich als Leser etwas mehr, und diesem Anspruch möchte ich natürlich auch als Autor gerecht werden. Nichts gegen nette Action und den ein oder anderen Kampf, aber wie ein Computerspiel sollte sich ein Roman eigentlich nicht lesen. Übrigens habe ich als Jugendlicher nicht nur begonnen, Prosa zu schreiben, sondern habe auch mich auch da schon an Text-Adventures und Drehbüchern versucht. Ich fand es schon immer spannend, eine Geschichte mit den Mitteln der unterschiedlichen Medien zu erzählen.

Gab es Vorbilder, denen Du nacheifern wolltest?

Gezielt nacheifern sicher nicht. Die Fantasy-Autoren, die mich am meisten beeindruckt haben, sind George R.R. Martin und Michael Moorcock. Aber ich lese nicht ausschließlich Fantasy, sondern fühle mich eigentlich in allen phantastischen Spielarten heimisch. Wenn ich überhaupt nacheifern wollte, dann dem Autor, dem für mein Empfinden das Wandeln zwischen den Genres am souveränsten gelingt, nämlich Dan Simmons. Er wurde hierzulande primär als Horror-Autor vermarktet - solche Romane hat er auch geschrieben -, aber sei es Grusel, SF, Thriller oder Lovestory - er hat mich bisher eigentlich mit all seinen Romanen überzeugt. Ansonsten entdecke ich Philip K. Dick immer wieder neu ... bewundere Clive Barker und Ray Bradbury ... und auch deutsche Autoren sind in meinem Regal in großer Zahl vertreten: Eschbach, Meyer, Marrak, Heitz, Thiemeyer ...

Seld ist ja ein recht ungewöhnlicher Fantasy-Held. Im Kreis der muskelbepackten, jugendlichen Recken voller Charme, Fortune und Esprit macht sich der alternde, fast gebrochene Mann ungewöhnlich aus. War Seld für Dich als Autor eine interessante Person, um sie zu be- und umschreiben? Warum hast Du gerade ihn zum Helden Deiner Geschichte gemacht?

Vor „Drachenwächter“ habe ich eine Kurzgeschichte („Den Drachen nach“) geschrieben und veröffentlicht, die auf 30 Seiten die Grundidee des Romans beinhaltet und die Reise bis zur Meeresküste beschreibt - und dann offen lässt, wohin die Drachen fliegen. Die Kurzgeschichte hatte einen jugendlichen Ich-Erzähler, den Sohn des Vorstehers. Als ich begann, aus der Idee einen Roman zu basteln, wollte ich keinen ausgesprochenen Jugendroman schreiben, aber mit einer jungen Hauptfigur wäre fast zwangsläufig dieser Eindruck entstanden. Daher beschloss ich, einen älteren Protagonisten zu entwerfen, der schon einiges hinter sich hat ... und dessen Erlebnisse natürlich mit den Drachen zu tun haben. Auch von der Ich-Perspektive habe ich für den Roman Abstand genommen.

Hequis wird durch eine funktionierende Basisdemokratie geführt. Im Rat des Dorfes haben die Vertreter der Familien alle dieselbe Stimme, Beschlüsse können nur einstimmig gefasst werden, was zu Kompromissen zwingt - gerade auch für ein Fantasy-Szenario, wo doch meist ein altruistischer Herrscher über die Geschicke seiner Untergebenen wacht, ungewöhnlich.

Ob die Basisdemokratie funktioniert, ist offen. Der Zwang zum Kompromiss kann schließlich auch zum Stillstand führen, und das Geschachere in der im Roman geschilderten Ratssitzung dürfte auch Bände sprechen. Hm ... warum fällt mir jetzt das Stichwort „Große Koalition“ ein? Jedenfalls - ich wollte für ein solches Dorf, das weit weg vom Einflussbereich des Herrschers liegt, nicht so etwas wie den gütigen Landadel an der Macht. Die Bewohner von Hequis leben am Rand der Welt und mussten einen Weg finden, sich untereinander zu einigen. Sie haben diese Methode gewählt. Damit sind sie im Nordostland aber allein.

Du erklärst in Deinem Roman recht wenig. Die Drachen ziehen eines Tages los, zunächst weiß keiner, weshalb und wohin. Erst im Verlauf der Handlung entdeckt Seld - und mit diesem der Leser - Hintergründe und Absichten. Nun ist diese Art der Erzählung sowohl für den Autor, als auch den Leser, anspruchsvoller, als wenn von Beginn an klar ist, der gute A greift den bösen B an. Warum hast Du Dich dennoch für die anspruchvollere Variante entschieden?

Das war keine bewusste Entscheidung, sondern hat sich aus dem Hintergrund der Hauptfigur ergeben. Seld ist ein Getriebener, der von Visionen bedrängt wird, in das Dorf zurückzukehren, das er voll Wut und Trauer verlassen hat. Er wird vom Spielball des Schicksals zu einem, der es entscheidend beeinflusst. Das ist das eigentliche Thema des Romans: Schicksal, und die scheinbare Machtlosigkeit, es zu ändern. Daher schien es mir der beste Weg, die Geschichte so zu erzählen.

Mir fiel auch auf, dass Du Deine Welt recht unscharf lässt. Es gibt eine Gebirge, eine hügelige Landschaft, die Küste und einen weiteren Kontinent, doch arg viel mehr erfahren wir nicht über das Land. So fehlt dem Buch auch die inzwischen fast obligate Karte. Lässt Du Dir hier bewusst Platz für die Fortsetzungen?

Die Welt Derod ist eher irdisch und mittelalterlich, mit nur ein paar „un-irdischen“ Einsprengseln. Ganz richtig - große Exotik biete ich nicht, aber das war auch nie mein Ziel. Es geht um Menschen, Drachen und Dämonen - nicht um sich bekriegende Rassen, nicht um magische Gegenstände. Letztere beispielsweise gab es in der ersten Fassung des Romans, aber ich habe das Element bewusst raus gestrichen und dafür das Motiv der Geistesreisen verstärkt, denn es schien mir schlüssiger. Und was eine Karte angeht ... die mag ein nettes Beiwerk sein, aber wenn ein Leser eine Karte konsultieren müsste, hätte ich als Autor versagt. In den Folgebänden wird Derod sicher an Schärfe gewinnen, aber ansonsten gilt bislang, was Terry Pratchett früher mal einem Roman voranstellte: „Dieses Buch enthält keine Karte. Der geneigte Leser mag sich seine eigene zeichnen.“

Ich fand Quint, den Vorsteher des Rates der Acht, eine interessante Person. Angetrieben von seiner Ehrgeiz und Geltungsbewusstsein reifte und wandelte er sich angesichts der Fährnisse. Wie empfindest Du dies?

Der Kerl wurde mir erst während des Schreibens sympathisch, ansonsten hätte er schon ein „würdiges“ Ende in Klüch gefunden, hehe. Ich bin überzeugt, dass viele Menschen aus Erfahrung lernen - auch diejenigen, von denen man es eigentlich nicht glaubt. Quint ist so einer. Von ihm werden wir noch hören.

„Die Prophezeiung“ ist nur der erste Band einer projektierten Trilogie. Dennoch scheint die Geschichte Selds erzählt. Ich weiß, dass Band 2 noch in deinem Kopf reift - die Dämonen sind ja noch nicht endgültig besiegt -wird es ein Wiedersehen mit Figuren aus dem ersten Band geben?

Ich bin ausgesprochener Fan von Trilogien, aber kein Fan von Fortsetzungen, die keine sind. Klar könnte ich es mir leicht machen und sagen: So, jetzt sind wir 100 Jahre später, alles Figuren aus Teil 1 sind tot, ich führe neue ein und die Dämonen greifen wieder an. Nichts da. Ich werde dort ansetzen, wo wir Seld verlassen haben. Auch Teil 2 und Teil 3 sind seine Geschichte. Und obwohl ich noch nicht jedes Detail über den weiteren Verlauf der Geschichte weiß - mit welcher Szene Band 3 enden wird, ist jetzt schon in Stein gemeißelt. Und eins werde ich auch nicht machen, nämlich Cliffhanger am Ende von Band 2. Ich habe mich allzu oft über den Mittelteil einer Trilogie geärgert, der auf einem Höhepunkt abbricht und nur auf das Finale heiß machen soll. Nein, jedes meiner Bücher soll in sich geschlossen sein und schließlich als Trilogie das große Bild ergeben.

Wirst Du andere Schwerpunkte setzen?

Auf alle Fälle. Die Konflikte aus Teil 1 wiederzukauen, wäre mir zu langweilig. Ich will lieber herausfinden, wie die Menschen von Derod das verarbeiten, was in Teil 1 geschehen ist ... an wen sie sich nun wenden ... wie sie den Drachen gegenüberstehen ... und natürlich wird Seld auch ein anderer sein.

War es ein schwieriger Weg, einen Verlag für Dein Werk zu begeistern?

Man hört ja immer wieder von neuen Autoren, die aus einer Laune heraus einen Roman schreiben, den einfach so einen Großverlag schicken und gleich veröffentlicht werden. So einer bin ich nicht. Ich bin die Ochsentour des unverlangt eingesandten Manuskripts gegangen, stand mehrere Male in der engeren Auswahl, aber erst Spreeside hat ein paar Bäume gefällt, damit meine Worte aufs Papier kommen.

Du lebst und arbeitest in einem kleinen Ort im Hessischen. Wie kommt man dann zu einem Verlag, der in der Bundeshauptstadt residiert, und bis dato noch keine entsprechenden Projekte publiziert hat?

Ich bin in meinem kleinen Büro im Vogelsberg ja nicht eingemauert, im Gegenteil bin ich für meine Kunden aus der Computerspiele-Branche immer wieder „auf Montage“ in ganz Deutschland unterwegs. Über mehrere Ecken in der weitläufigen Medienbranche (auch im TV-Bereich habe ich etwas Erfahrung) bin ich schließlich mit den Leuten von Spreeside ins Gespräch gekommen, als die den Verlag gerade aufbauten und Projekte suchten - und noch nicht von unverlangt eingesandten Manuskripten erschlagen wurden. Die Zusage kam daher sehr schnell, auf der Buchmesse Frankfurt im vergangen Jahr wurde der Vertrag ausgehandelt, und nach Verzögerungen bei Satz und Druck hat es im späten März endlich mit der Veröffentlichung geklappt.

Gegenwärtig bist Du damit beschäftigt den ersten Band einer etwas anderen Fantasy-Trilogie mit dem Arbeitstitel „Magie“ zu schreiben. Dieses etwas andere ist ein Begriff, der in Bezug auf Deinen Roman häufig auftaucht. Macht es Dir Spaß, mit der Erwartungshaltung Deiner Leser zu spielen, die - und vielleicht auch Dich selbst - zu überraschen?

Gerade das Fantasy-Genre kaut für mein Empfinden zu viel einfach wieder, und ich bin als Leser dankbar, wenn ich ein Buch entdecke, das einem eigentlich bekannten Motiv etwas Neues abgewinnt. Mit den Überraschungen muss man natürlich vorsichtig sein, denn sie können aufgesetzt und auf Effekt getrimmt wirken, und gerade wenn ich in einem bestimmten Genre schreibe, sollte ich dessen Regeln zumindest grundsätzlich kennen und beachten - um sie dann zu beugen.

Warum beginnst Du jetzt ein neues Projekt, wenn es doch eigentlich nahe liegen würde, die zweiten Teil der Drachenwächter in Angriff zu nehmen?

Mit der Konzeption von „Magie“ hatte ich schon begonnen, als noch keine Veröffentlichung von „Drachenwächter“ in Sicht war. Wie schon bei den Drachen schrieb ich eine Kurzgeschichte, in der es um Magie ging und sah das Potenzial, diese Idee weiterzuspinnen ... und dann gegen den Strich zu bürsten. Nun bin ich mitten im Manuskript und will die Geschichte nicht in der Luft hängen lassen.

Wie sieht es mit einer Publikationsmöglichkeit für „Magie“ bzw. „Drachenwächter“ 2 aus - hat Spreeside bereits Interesse bekundet?

Ich habe nicht mit meinem Blut unterschrieben, aber die Zusammenarbeit soll sich nicht auf ein Buch beschränken. Mit dem Endergebnis von „Drachenwächter“ in Roman- und Hörbuch-Form bin ich sehr zufrieden und das gibt natürlich auch Vertrauen fürs nächste Projekt.

Gleichzeitig mit der Buchveröffentlichung hat Dein Verlag das Werk auch als Hörbuch herausgebracht. Warst Du hier in der Produktion involviert?

Ja, in jeder Hinsicht. Die Kürzungen an der Romanfassung, damit das Hörbuch auf 5 CDs passt, habe ich selbst vorgenommen. David Nathan war meine Wunschbesetzung - ich hatte ihn letztes Jahr bei den Tonaufnahmen des Spiels „Kingdom Hearts II“ kennen gelernt und war da schon von seiner Leistung beeindruckt. Die Aufnahmen des Hörbuchs haben zwei Tage gedauert und waren ein sehr intensives Erlebnis - von einem Profi gesprochen empfindet man plötzlich den eigenen Text, den man unzählige Male überarbeitet hat, völlig anders.

Warum habt ihr parallel zur Printausgabe auch das Medium CD genutzt - die Publikation von Hörbüchern nimmt ja permanent zu. Sind Leser eine aussterbende Gattung, ist das Lesen vielleicht zu zeitaufwendig und mühsam in unserer schnelllebigen Zeit, in der man sich lieber berieseln lassen will?

Als jemand, der an Computerspielen und fürs Fernsehen gearbeitet hat, bin ich ja sozusagen staatlich geprüfter Berieseler. Trotzdem bin ich überzeugt, dass Leser nicht aussterben, sondern im Gegenteil zunehmen werden. Das Buch ist das ultimative Mittel gegen Schnelllebigkeit. Es zwingt dazu, sich zu konzentrieren, die Außenwelt auszublenden, alle Sinne auf die Geschichte zu lenken. Wenn man immer ein Taschenbuch mit sich rumträgt, wird Lesen nicht mal mehr zeitaufwändig, weil man in jeder Minute, die man dumm in der Gegend rumsteht, ein paar Seiten lesen kann. Hörbücher scheinen mir einerseits die begeisterten Leser eines Buches anzusprechen, die die Geschichte auf andere Weise erleben wollen, zum anderen diejenigen, die wirklich keine Zeit zum Lesen haben oder zu ungeduldig dafür sind. Wenn letztere ein Hörbuch „lesen“, ist das doch immer noch besser, als wenn sie sich gar keine Geschichte erzählen lassen und ihren Konsum auf Gerichtsshows oder Berichte über den bevorstehenden Abstieg von Borussia Dortmund beschränken. Für Spreeside ist das Hörbuch nicht nur ein Nebenprodukt, sondern durchaus ein Primärmedium. Mich als Autor freut es schlicht, gleich doppelt im Handel zu sein.

Vielen Dank, dass Du Dir für uns Zeit genommen hast. Wir wünschen Dir alles Gute.


Falko Löfflers Homepage ist hier zu finden.

Carsten Kuhr Rezension zu Falko Löffllers „Die Prophezeiung - Drachenwächter 1“ ist hier zu finden.





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