Im Gespräch mit: Stephan Bosenius
Datum: Thursday, 05.April. @ 12:47:11 CEST
Thema: Interview


Wenn es mal wieder an der Zeit ist, für Kino im Kopf zu sorgen, ist die beste Möglichkeit, sich in eine ruhige Ecke zu setzen und einem Hörspiel zu lauschen. Eines der erfolgreichsten Hörspiel-Labels ist Titania Medien. Unser Mitarbeiter Erik Schreiber hat mit einem der beiden Inhaber, Stephan Bosenius, ein Interview geführt.

Hallo Stephan, vielen Dank erst einmal, dass du dir die Zeit nimmst, meine Fragen zu beantworten. Kannst du euch bitte kurz vorstellen?

Titania Medien ist ein 2002 gegründetes Hörspiel-Label mit dem Schwerpunkt auf atmosphärischen Hörspielen für Erwachsene. Meist sind es Vertonungen der Meisterwerke der literarischen Schauer-Romantik, gesprochen von den prominenten deutschen Synchronstimmen vieler Hollywood-Stars. Labelinhaber sind Marc Gruppe und ich, Stephan Bosenius. Marc hat Theaterwissenschaft, sowie Literatur- und Musikwissenschaft studiert und diverse Assistenzen und Hospitanzen an bekannten Theatern gemacht. Noch während seines Studiums hat er begonnen, Bühnenfassungen bekannter Kinderliteratur zu schreiben, die bei einem renommierten Theaterverlag erscheinen. Im Bereich Weihnachtsmärchen zählt er zu den vielgespielten Autoren in Deutschland. Marc ist hauptverantwortlich für den künstlerischen Bereich unserer Labelarbeit. Ich selbst habe Erziehungswissenschaften mit Schwerpunkt Organisationsentwicklung studiert und bin für die geschäftlichen, organisatorischen, marketingtechnischen Bereich unserer Produktion verantwortlich. Außerdem übernehme ich die Pressebetreuung und Öffentlichkeitsarbeit.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen ein eigenes Label zu gründen?

Im Prinzip, weil uns Anfang des neuen Jahrtausends gute Produktionen für den erwachsenen Hörer von heute mit dem akustischen und atmosphärischen Charme der Hörspiele der Kindheit fehlten.
Konkret verlief die Sache so: Anfang 2002 besuchten Marc Gruppe und ich eine Theateraufführung, in der Dagmar von Kurmin die Hauptrolle spielte. Marc hatte diese Aufführung recherchiert, da Frau von Kurmin eine unserer Lieblingssprecherin auf so mancher LP war, die wir in unserer Kindheit rauf und runter gehört hatten. Nach der Vorstellung ergab sich die Gelegenheit Frau von Kurmin kennen zu lernen. Die Sympathie war so groß, dass wir die Adressen austauschten. Auf der Autorückfahrt entstand dann die Idee, eigene Hörspiele zu produzieren. Ende 2002 gründeten wir dann das Label Titania Medien. In der Zeit bis zur ersten Produktion belegten wir diverse Seminare, Fortbildungen und Kurse, um uns fit für die wirtschaftlichen, steuerlichen und marketingtechnischen Anforderung unserer Firmengründung zu machen. Dann wurde alles zusammengekratzt, was an Erspartem zur Verfügung stand. Im August 2003 kam dann mit „Edgar Wallace – Das indische Tuch“ die erste Hörspiel-Produktion von uns heraus. Dagmar von Kurmin glänzte in der Hauptrolle und gewann auf Anhieb den begehrten Hörspiel-Award als „Beste Sprecherin“. Insgesamt wurde die Produktion mit stolzen neun Hörspiel-Awards prämiert. Damals sind wir auch als „Bestes Newcomer-Label“ ausgezeichnet worden. Mittlerweile konnten wir schon drei Jahre in Folge den Kritiker-Gold-Award als „Bestes Hörspiel-Label“ (2004, 2005 & 2006) erringen, was uns sehr freut und eine schöne Anerkennung unserer Arbeit ist.

Seit wann macht ihr das Profimäßig?

Von Anfang an! Denn wir waren uns einig, dass wir das entweder in allen Arbeitsbereichen ordentlich oder gar nicht machen wollten.

Was macht ihr selbst und was lasst ihr machen?

Stephan Bosenius: Wir suchen gemeinsam die zur Vertonung geeigneten Stoffe aus. Dann schreibt Marc die Dialogbücher, die wir anschließend gemeinsam überarbeiten und uns hierbei bereits Gedanken über die Besetzung der einzelnen Rollen machen. Als nächster Schritt werden die Sprecher angefragt und Studiotermine gemacht. Im Studio sprechen die Schauspieler dann unter unserer Regie ihren jeweiligen Part. Marc wählt in der Post-Produktion schließlich die besten Aufnahmen eines jeden Satzes aus und erstellt einen Dialog-Rohschnitt, der mit Musik unterlegt wird. Dann geht es wieder mit unserem Tontechniker ins Studio zur Nachbearbeitung. Hier werden die Stereo-Einstellungen vorgenommen, die Räume kreiert, die Geräusche und Atmosphären unterlegt und alles zu einem Endmix zusammen gefügt. Dieser wird anschließend in einem Masteringstudio noch klanglich veredelt. Danach ist das Hörspiel-CD-Master fertig und wandert zur Vervielfältigung ins Presswerk. Zuvor habe ich mit unserem Illustrator bereits besprochen, wie das Titelbild aussehen soll. Dies fertigt er dann an. Gemeinsam mit allen Angaben zu Sprechern und Inhalt wird die Illustration von unserer Graphikerin layoutet und die CD-Drucksachen ebenfalls im Presswerk hergestellt. Vom Presswerk aus werden die verkaufsfertigen CDs zu unseren beiden Vertrieben geliefert. Das ist für den Bereich Buchhandel Lübbe Audio und für den Bereich Tonträgerhandel SPV. Diese Firmen sorgen dafür, dass unsere Hörspiele an die Großhändler und die einzelnen Filialen geliefert werden, wo die Kunden sie dann kaufen können. Bei uns wird soviel wie möglich innerhalb unseres Teams erledigt, um auch rentabel arbeiten zu können. Dies ist sehr entscheidend, denn noch sind wir ein vergleichsweise kleines Label – allerdings bereits mit einem stolzen und stetig wachsenden Programm vielfach preisgekrönter Hörspiele.

Da wir gerade bei euren Mitarbeitern sind. Wer ist der Graphiker? Er gefällt mir sehr gut und erinnert mich ein wenig an Lonati, der für „Macabros“, „Larry Brent“ und zum Teil für „Silber Grusel Krimi“ zeichnete. Wie läuft die Zusammenarbeit? Du hast eine Idee und sagst, was er zeichnen soll?

Genau, da gibt es bei uns motivisch sehr klare Vorgaben, schließlich muss das Dargestellte ja zum Inhalt des Hörspiels passen. Der Illustrator ist Firuz Askin. Er hat bereits für die Europa-Hörspiel-Serie „Hui Buh“ die Cover der Folgen 16-23 gemalt und ist uns dadurch aufgefallen. Wir suchten zu dieser Zeit einen Künstler für die graphische Neugestaltung unserer Hörspiel-Reihe „Gruselkabinett“, der noch rein handwerklich mit Pinsel und Farbe arbeitet. Von den ersten Entwürfen waren wir bereits sehr begeistert, da sie dieses klassische Flair früherer LP-Cover hatten. Das Echo auf das neue „Gruselkabinett“-Layout mit den exklusiv für jede Folge angefertigten Cover-Gemälden von Firuz Askin war überwältigend positiv. Sehr gefreut hat uns, dass das Cover der Produktion „Der Freischütz“ zum „Cover des Jahres 2006“ gewählt wurde und zwar sowohl von den Kritikern, als auch vom Publikum beim Hörspiel-Award.

Nach welchen Gesichtspunkten wählt ihr die Vorlagen für ein Hörspiel aus?

Zunächst einmal danach, ob die Vorlage uns selbst gefällt, packt, anrührt und bewegt. Allerdings ist für eine Hörspielbearbeitung natürlich auch von entscheidender Wichtigkeit, dass sich die Geschichte mit rein akustischen Mitteln gut erzählen lassen muss.

Du sagtest gerade, ob euch die Vorlage gefällt, wäre wichtig. Aber ihr müsst doch erst einmal eine Auswahl von Vorlagen haben? Geht ihr nach bekannten Namen oder Empfehlungen?

Beides. Marc kennt viele Gothic Novel-Titel aus seinen Studientagen. Wir recherchieren aber auch viel, besorgen uns dann die Bücher, lesen sie und diskutieren darüber, ob man daraus ein gutes Hörspiel machen könnte. Vielfach erreichen uns mittlerweile aber auch Wünsche unserer Hörer, was sie gerne von uns vertont hören würden. Da waren auch schon schöne Vorschläge dabei.

Wer schreibt euch die Drehbücher?

Das macht mein Kollege Marc Gruppe. Durch seine Arbeit für den Theaterverlag „Vertriebsstelle und Verlag“ ist er sehr geübt im Dialoge schreiben, was ja schon noch einmal etwas anderes ist als Prosatexte.

Wie sieht die Arbeit von Marc aus, die Dialoge zu schreiben? Es fehlt doch das ‚drumherum’.

Tja, das muss dann eben noch geschaffen werden! Unsere Spezialität ist ja quasi, dass die Handlung zu ganz großen Teilen in Dialogen erzählt wird und der „Erzähleranteil“ nicht so groß ist. Dadurch „fühlt“ der Hörer eine größere Nähe zu den handelnden Figuren und ist mehr mittendrin in der Handlung als in mancher Konkurrenzproduktion. D.h., dass Marc viele Prosa-Stellen quasi erst einmal in Dialogform „übersetzen“ muss. Das ist mitunter nicht ganz leicht, denn die Hörspiel-Version soll ja nach Möglichkeit den Inhalt nicht zu arg verflachen und dem ganzen somit die Tiefe nehmen. Die Dialoge müssen lebensnah und für die Sprecher natürlich zu sprechen sein. Um diese Kriterien zu erfüllen, braucht man viel Erfahrung und Gespür für Sprache. Ich finde, Marc macht da einen richtig guten Job. Was er beispielsweise aus diesem dicken Schmöker „Dracula“ gezaubert hat: Hut ab! Das fand ich in dieser ungemein spannenden epischen Breite von 260 Minuten Hörgenuss besser als alle „Dracula“-Filme, die ich kenne.

Vielen Dank Stephan, für deine bereitwilligen Antworten. Ich wünsche euch noch viel Erfolg mit euren Hörspielen. Und an die gewonnenen Preise denkend, bin ich mir sicher, ihr werdet weiterhin erfolgreich weitermachen.


Die Homepage von Titania Medien ist hier zu finden.





Dieser Artikel kommt von Phantastik-News
http://www.phantastik-news.de

Die URL für diesen Artikel ist:
http://www.phantastik-news.de/modules.php?name=News&file=article&sid=2848