Im Gespräch mit: Frank Rehfeld
Datum: Sunday, 21.May. @ 16:41:30 CEST
Thema: Interview


Frank Rehfeld, 1962 geboren, ist einer der Mit-Erfinder der legendären „Star Gate“-Romanserie aus dem Merkur Verlag. In den 80ern schrieb er an der Kultserie „Der Hexer“ mit, deren Weltbild-Editionsausgabe er lektorierte. Ferner erschienen Fantasy-Romane von ihm bei Bastei-Lübbe und er schrieb Romane zu TV-Serien wie „Knight Rider“ und „Andromeda“. In diesem Frühjahr erschien von ihm der Roman „Blue Moon“ bei Langen-Müller. Unser Mitarbeiter Carsten Kuhr hat die Gelegenheit genutzt und mit dem Autor gesprochen.

Hallo Frank. Seit unserem letzten Gespräch, das immerhin bereits einige Jahre zurückliegt, ist es zumindest im phantastischen Bereich ein wenig ruhiger um Dich geworden. Eine Zeit lang erschienen Bücher zu bekannten und beliebten Fernsehserien wie „Andromeda“ von Dir, doch dann erschien kaum mehr etwas außerhalb der Heftserien - warum hast Du Dich so rar gemacht?

Ruhig vielleicht, was nicht heißt, dass ich seither einen faulen Lenz geschoben habe. So habe ich eine Menge Lektorate gemacht, beispielsweise die Überarbeitung der gesamten „Hexer“-Serie für die Weltbild-Edition, für die ich außerdem noch einen Abschlussband geschrieben habe. Dazu kamen drei Romane für den „Maddrax“-Ableger „Mission Mars“, sowie Planungsarbeit für verschiedene Projekte und ein umfangreiches Manuskript, das ich auf eigenes Risiko, ohne bereits einen Verlag dafür zu haben, fertig geschrieben habe. Mal sehen, was daraus wird.

Bricht Deines Erachtens der Heftmarkt zusammen - was man so hört sind die Auflagezahlen ja seit Jahren konstant rückläufig?

Sicher, die Zahlen sind zurückgegangen und mit denen von vor einigen Jahren absolut nicht mehr zu vergleichen. Bei manchen Serien ist man heute glücklich, wenn man eine Verkaufsauflage erreicht, die vor diversen Jahren noch Grund für ernsthafte Sorge oder gar eine Einstellung gewesen wäre. Aber es sieht so aus, als hätte mittlerweile eine Konsolidierung stattgefunden, die sogar wieder Raum für Experimente lässt, wie z.B. Bastei sie in letzter Zeit mit einer Reihe neuer Serien unternommen hat. Natürlich werden diese Wagnisse nicht immer von Erfolg gekrönt, aber dass man überhaupt wieder versucht, neue Wege zu gehen, statt nur die ewig gleichen Erfolgsrezepte zu kopieren, stimmt mich hoffnungsvoll. Bislang habe ich knapp über hundert Hefte geschrieben, die meisten davon sehr gern, weil ich in der glücklichen Lage war, mir zumeist interessante Serien aussuchen zu können, an denen mir die Mitarbeit Spaß machte und eine Herausforderung für mich darstellte. Wie wohl jedem Autor liegen mir manche Themen besser als andere, und obwohl ich einige - vor allem neuere – Serien als Leser mit Interesse verfolge, weiß ich nicht, ob ich auch schreibmäßig damit zurecht käme. Einer der Gründe, weshalb ich mich auf diesem Gebiet in letzter Zeit recht rar gemacht habe; ich wüsste nichts zu nennen, was mich so sehr reizen würde, dass ich unbedingt daran mitschreiben wollte, was aber eher an meinen persönlichen Vorlieben als an den existierenden Serien liegt. Hinzu kommt, dass ich mich mit der Zeit immer stärker an einen größeren Umfang gewöhnt habe, der mehr Platz für Beschreibungen, den Aufbau von Atmosphäre und die Entwicklung etwas ausgefallenere Charaktere lässt, weshalb ich mich mit dem eng begrenzten Platz eines Heftromans mittlerweile etwas schwer tue. Trotzdem mag ich diese Publikationsform, vor allem wegen ihres Fortsetzungscharakters, den man in Büchern nicht so leicht bringen kann.

Jetzt kommst Du gleich mit einem respektablen Hardcover auf den Markt. Erzähl doch bitte mal, wie es überhaupt zu dem Projekt kam - einen Roman zu einem bereits existierenden Brett- und Kartenspiel zu publizieren erfordert ja auch von den beteiligten Verlagen eine große Vorlaufzeit und Planungsphase. Hattest Du die Idee, oder trat man vom Verlag an Dich heran?

Im Fall von „Blue Moon“ trat der Verlag an mich heran. Um ganz ehrlich zu sein – ich kannte das Spiel vorher nicht einmal. Die verantwortliche Redakteurin habe ich vor wenigen Jahren auf der Buchmesse kennen gelernt, als ich mit meinem viel zu früh verstorbenen Freund Jürgen Heinzerling am Stand von Herbig Langen-Müller war, für die er den Roman „Karl May und der Wettermacher“ geschrieben hatte. Als der Verlag nun plante, zu dem Spiel des äußerst erfolgreichen und mit Preisen überhäuften Reiner Knizia einen Roman zu veröffentlichen, erinnerte besagte Redakteurin sich an mich und dass ich auf diesem Gebiet schon einiges geschrieben habe. So klingelte irgendwann im Frühjahr vorigen Jahres das Telefon bei mir und sie fragte mich, ob ich Interesse hätte, einen Roman zu Blue Moon zu schreiben.

Ich stelle mir das recht schwierig für einen Autor vor, der quasi eingezwängt in ein vorgegebenes Korsett in seiner Kreativität doch sehr gebremst wird - wie empfandest Du das?

Anfangs war es ziemlich furchtbar. Ich bekam das Basisspiel und die verschiedenen Völkersets zugeschickt und stellte fest, dass es dabei nur um Kämpfe der Völker gegeneinander ging. Auf jeder Karten stand zwar ein kurzer Satz, der mehr über die Hintergründe der Welt enthüllte, aber auf den ersten Blick erschien das alles sehr chaotisch. Eine Weile dachte ich, meine einzige Möglichkeit wäre, mir einige wenige Aspekte aus dem Spiel herauszupicken und um diese herum eine ansonsten völlig unabhängige Handlung zu entwerfen. Glücklicherweise entwickelte sich das Projekt dann jedoch in genau die entgegengesetzte Richtung.

Gab es eine Abstimmung mit Reiner Knizia, dem Erfinder des Spiels?

Die gab es in der Tat, sonst hätte ich diese Aufgabe vermutlich gar nicht bewältigen können. Wir haben zahlreiche Mails gewechselt und mehrfach ausgiebige Telefonate geführt. Nach und nach erkannte ich, dass Reiner sich da tatsächlich eine äußerst komplexe Welt ausgedacht hat, die weit über das hinausgeht, was ich mir aus den Karten bis dato zusammengereimt hatte, und die vor allem bei weitem nicht nur auf Kampf basiert. Dadurch fing ich allmählich richtig Feuer für das Projekt. In enger Abstimmung mit Reiner, der z.B. die fertigen Kapitel stets zur Kontrolle gegenlas, entstand die Handlung des Romans, der die Lücke zwischen dem kriegerischen Blue Moon Kartenspiel und dem gleichfalls im Frühjahr erschienenen Brettspiel Blue Moon City füllt, in dem es darum geht, die vom Krieg verwüstete Welt neu aufzubauen. Obwohl Reiner bereits rund zweihundert Spiele entwickelt hat, von denen viele preisgekrönt wurden, liegt Blue Moon ihm besonders am Herzen, weshalb er bei dem Roman auf jedes Detail achtete. Umso erleichterter war ich, als er mir sagte, dass ihm der Roman nicht nur sehr gut gefiele, sondern er auch kaum damit gerechnet hätte, dass es einem Autor gelingen würde, so sehr in „seine“ Welt einzutauchen und den Geist dessen, was er sich vorgestellt hatte, einzufangen, wie es bei mir der Fall gewesen ist. Hatte er bei den ersten Kapiteln noch eine ganze Reihe von Änderungswünschen, so nahmen diese von Kapitel zu Kapitel ab, bis es sich fast nur noch um Vorschläge handelte, wie man manche Aspekte noch besser zum Tragen bringen könne. Für diese Hilfe bin ich ihm enorm dankbar, ohne seine Mitarbeit hätte das Buch niemals in der vorliegenden Form erscheinen können.

Wie lange hattest Du für das Schreiben des Romans Zeit?

Das war ein kleines Problem. Ich habe ziemlich lange gebraucht, um mich in die Welt des Spiels richtig einzuarbeiten, es dauerte fast drei Monate, bis ich alles so weit im Kopf zusammen hatte, dass ich überhaupt mit dem Schreiben beginnen konnte. Das Schreiben selbst hat dann noch einmal fast die gleiche Zeit in Anspruch genommen, da ich viele Details vor allem zu Beginn immer wieder nachlesen musste, aber je weiter die Handlung voranschritt, desto leichter fiel mir auch das Schreiben, bis ich mich schließlich geradezu zwingen musste, auch mal Pausen zum Schlafen etc. einzulegen. Gegen Ende hätte ich am liebsten immer noch weiter geschrieben, weshalb der Roman auch länger wurde, als ursprünglich vereinbart. Trotzdem hätte ich liebend gern noch ein paar hundert Seiten mehr aus der Chronologie dieser faszinierenden Welt verfasst.

Inwieweit konntest Du eigene Ideen und Handlungsstränge einbringen?

Da der Roman zwischen den beiden Blue Moon Spielen angesiedelt ist, standen Anfang und Ende fest. Die groben Eckpfeiler der Handlung dazwischen habe ich mit Reiner Knizia gemeinsam geplant, aber wie ich das im Einzelnen umgesetzt habe, blieb mir überlassen. Um ein Beispiel zu geben: Einer der Handlungsstränge handelt von einer Expedition. Der Ausgangspunkt und wie sie endet standen fest, aber welche Gefahren die Expeditionsteilnehmer unterwegs meistern mussten, habe ich mir allein ausgedacht. Gleiches galt für die Charaktere. Einige waren vom Namen oder ihrer Rolle her durch das Kartenspiel vorgegeben, doch blieb es weitgehend mir überlassen, sie mit Leben zu erfüllen.

Gegen Ende des Romans ging es dann plötzlich sehr schnell. Eben noch waren unsere Helden damit beschäftig, sich den mühsamen Weg zum Turm und dem dort versteckten PSI-Splitter zu suchen, und dann löste sich alles überraschend in Wohlgefallen auf. Ich hatte ein wenig den Eindruck, dass Du hier einen Teil des Textes hast kürzen oder zusammenfassen müssen - stimmt das, und wenn ja warum?

Eigentlich war das Gegenteil der Fall. Die letzten Kapitel, die ich ziemlich klar vor Augen hatte, habe ich sehr früh schon geschrieben, sogar in zwei verschiedenen Versionen. Wer vorhat, den Roman demnächst erst zu lesen, sollte den Rest des Absatzes überspringen, da ich hier etwas von der Handlung gegen Ende verraten muss. Ich habe ursprünglich zwei Rohfassungen geschrieben, eine, in der unsere Helden auf normalem Weg nach Blue Moon City zurückkehren, doch wie ich es auch gedreht habe, die entsprechenden Passagen wirkten hemmend auf das Tempo und wirkten deplaziert, da während dieser Reise nichts Entscheidendes mehr passierte. Nachdem ich diesen Entwurf schon bis auf knapp vier Seiten zusammengestrichen hatte, habe ich mich schließlich für die Alternative entschieden, in der die Helden durch das magische Tor an den Ausgangspunkt ihrer Reise zurückgeschleudert werden. Es ist eine ziemlich abrupte Rückkehr, aber da sie unmittelbar in die zweite, gleichfalls sehr wichtige Handlungsschiene mündet, erschien sie mir als der einzig mögliche Weg, einen Durchhänger kurz vor Ende zu vermeiden.

Was hast Du für weitere Pläne? Könnte es, sofern das Buch ein Erfolg wird, ein Wiedersehen mit Blue Moon und Deinen Gestalten geben, oder sind andere Projekte spruchreif?

FR: Im Moment sieht es ganz gut für einen zweiten Blue Moon-Roman aus, das wird sich hoffentlich in den nächsten Wochen endgültig entscheiden. Der erste Roman lässt ja bewusst noch zahlreiche Fragen offen, die auch nach der Planung von Reiner Knizia zu einem ganz neuen Abschnitt der Blue Moon-Saga überleiten. Darüber würde ich sehr gerne ebenfalls schreiben, vor allem, weil ich dabei noch weit größere Freiheiten zum Fabulieren hätte, da es auch im Spiel bislang nur einige ganz vage Andeutungen zu diesem Themenkomplex gibt. Außerdem hat der Verlag, der das Spiel in Amerika herausgebracht hat, Interesse an einer Übersetzung des Buches, was für deutsche Autoren ja keineswegs alltäglich ist. Ungeachtet dessen habe ich festgestellt, dass es leider immer schwieriger wird, sich ohne einen Agenten auf dem Markt zu behaupten, weshalb ich mich vor einigen Wochen an eine Agentur gewandt habe, die derzeit verschiedene Projekte von mir prüft. Was sich daraus ergibt, muss sich aber erst zeigen.

Vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen Dir für die Zukunft alles Gute.


Carsten Kuhrs Rezension zu „Blue Moon“ von Frank Rehfeld ist hier zu finden.






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