Im Gespräch mit: Hans Joachim Alpers
Datum: Sunday, 12.February. @ 10:42:37 CET Thema: Interview
Hans Joachim Alpers wurde 1943 in Bremerhaven geboren. Nach dem Abschluss einer Lehre als Maschinenschlosser studierte er in Bremen Ingenieurwissenschaften und in Hamburg Maschinenbau, Politik und Erziehungswissenschaften. Als langjähriger Herausgeber der „Science Fiction Times“ sammelte er weitere Erfahrung, die er ab 1978 als verantwortlicher Herausgeber der Reihe „Knaur Science Fiction“, ab 1980 gefolgt von der Betreuung der Reihe „Moewig Science Fiction“ einsetzte. Zusammen mit seinen Freunden Werner Fuchs und Ulrich Kiesow entwickelte er das Fantasy-Rollenspiel „Das schwarze Auge“, und gründete den ersten auf Rollenspiele spezialisierten Verlag Fantasy Productions . Daneben ist er seit Jahren gemeinsam mit Werner Fuchs Inhaber einer literarischen Agentur. 1967 veröffentlichte er unter dem Titel „Erde ohne Menschen“ als Jürgen Andreas seine erste Kurzgeschichtensammlung, später folgten weitere Zusammenstellungen, Anthologien und Romane. So schrieb er vor Jahren mit Ronald M. Hahn zusammen diverse Jugendbuchromane, die im Ensslin Verlag erschienen. Daneben zeichnete er zusammen mit Werner Fuchs sowie Ronald M. Hahn für die Sekundärwerke „Lexikon der SF Literatur“ (2 Bände Heyne), „Reclams SF Führer“ (Reclam), „Lexikon der Horror-Literatur“ und „Lexikon der Fantasy-Literatur“ (beide FanPro) verantwortlich. In den letzten Jahren hat er zunächst im Heyne Verlag einige, bei den Fans sehr beliebte Romane in der Spielwelt des schwarzen Auges sowie Shadowrun beigesteuert, bevor er bei Heyne, später Piper seine eigene Fantasy-Reihe „Rhianna, die Amazone“, die ebenfalls in der Welt des schwarzen Auges angesiedelt ist; kreierte. Unser Mitarbeiter Carsten Kuhr sprach mit dem SF-„Urgestein“.
Hallo Hajo. Die unabdingbare Frage. was Hajo macht, wenn er sich einmal nicht beruflich mit Büchern beschäftigt steht natürlich ganz am Anfang unseres Gesprächs. Wie verbringst Du Deine karge Freizeit?
Vor anderthalb Jahren bin ich von Hamburg nach Nordfriesland umgezogen und wohne jetzt in einem alten Bauernhof. Am und im Haus sowie auf dem riesigen Grundstück gibt es dauernd irgendetwas zu tun. Außerdem bin ich leidenschaftlicher Flohmarktgänger und suche dort nicht nur nach alten Büchern, sondern auch nach alten Uhren (Regulatoren), gern auch solchen, die repariert und aufgearbeitet werden müssen. Das Herumbasteln an diesen Uhren macht mir Spaß. Ansonsten höre ich gern klassische Musik, Rockmusik und vor allem Garagenpunk aus den Sixties und stelle mir meine eigenen CDs zusammen, gehe mit meiner Lebensgefährtin zum Essen aus oder besuche gelegentlich Konzerte von alten Heroen wie Bob Dylan, Neil Young etc., wenn sie mal in der Nähe auftreten, aber auch von neueren Rockgruppen oder irischen Folkloregruppen, spanne öfters mal für eine Woche in Dänemark (ist nicht weit von hier) aus oder fahre im Sommer mit dem Fahrrad durch die Gegend.
Ich habe munkeln hören, dass Du ein intensiver Sammler Phantastischer Literatur bist. Was für bibliophile Schätze nennst Du Dein eigen?
Meine Sammlung an Vorkriegs-SF und -Phantastik umfasst inzwischen rund 1200 Titel, und es sind neben den gängigen Titeln von Dominik, Daumann, Bialkowski, Heichen, von Harbou, Richter etc. etliche schöne und auch seltene Sachen dabei, z.B. „Tamotua“ von Paul Madsack, „Unter glühender Doppelsonne“ von Arthur Oprée, „Eine Marsprinzessin“ von E.R. Burroughs, „Im U-Boot zum Nordpol“ von Emilio Salgari, „Die Reise zur Venus“ von Niels Meyn, „Die Reise nach dem Ken“ von Christian Haugen, einige Romane von Robert Kraft, Arthur Conan Doyle, fast alles von Otfrid von Hanstein, Otto Willi Gail, Karl August von Laffert und natürlich H.G. Wells. Zu meinen Lieblingsstücken zählen sieben Bücher von Paul Scheerbart, einige der alten Prachtausgaben von Jules Verne und eine komplette Sammlung von „Der Orchideengarten“. Ich bedaure heute, dass ich erst relativ spät mit dem Sammeln von Vorkriegsliteratur angefangen habe. Damals wollte kaum jemand die Bücher haben, heute muss man bei Ebay für seltene Stücke ein kleines Vermögen hinlegen.
Du hast Deinen Weg als Herausgeber der „SF-Times“ und des Magazins „Comet“ begonnen. Über Jahre bot die SFT ihren Lesern Hintergrundinformation zur SF. Im PC Zeitalter hat sich die Szene gewandelt - einschlägige Internetsites versorgen jetzt die Leser mit Informationen. Sind Printmagazine Deiner Meinung nach überholt?
Wenn ich die „SF-Times“ heute noch machen würde, dann gewiss auch als Internetzeitung. Allerdings mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Das Internet bietet die Möglichkeit, den Leser sofort und ohne Umwege zu erreichen – da kann ein Printmagazin einfach nicht mithalten. Andererseits ist das eine flüchtige Ware, die man nicht in die Hand nehmen und fühlen kann. Gewiss, man kann Hardcopies ausdrucken, aber das ist für mich kein Ersatz für ein „richtiges“ Magazin. Aber wahrscheinlich bin ich da altmodisch. Wenn ich heute eine alte „SF-Times“-Ausgabe oder gar ein altes „Galaxis“ in die Hand nehme, ist das nicht nur mit nostalgischen Gefühlen verbunden, sondern auch ein sinnliches Vergnügen, einfach geil.
Bleiben wir noch ein wenig in der Vergangenheit - in den 80er Jahren hast Du zuerst für den Knaur Verlag, später dann für Moewig die redaktionelle und herhausgeberische Betreuung der Science Fiction-Taschenbuch-Reihen übernommen, ja diese erst aufgebaut. In den Editionen hast Du dem Leser viele neue, richtungweisende Autoren vorgestellt - in der Nachschau, auf welche Titel die Du vorgelegt hast bist Du besonders stolz?
Stolz bin ich auf einige Ausgrabungen wie „The Lovers“ von Philip José Farmer, „Der Überläufer“ von John Boyd oder „Der azurne Planet“ von Jack Vance, „Champion Jack Barron“ von Norman Spinrad oder „Wenn das der Führer wüsste“ von Otto Basil, dann auf eine Reihe von Philip K. Dick-Bänden, vor allem auf die „Valis“-Trilogie, die „Cordwainer Smith“-Bände und natürlich auch darauf, dass ich das Potential von Marion Zimmer Bradley erkannt habe, bevor sie mit ihrem Megahit „Die Nebel von Avalon“ (den ich auch haben wollte, der aber unerschwinglich war) Furore machte. Überhaupt habe ich gern weibliche Autoren gebracht, etwa Vonda N. McIntyre, Joan D. Vinge oder Marta Randall, dazu Hard-SF von Gregory Benford, Greg Bear oder James P. Hogan und natürlich den ersten SF-Roman und viele Erzählungen von George R.R. Martin. Ansonsten haben mir die „Kopernikus“-Anthologien und die „Almanache“ großen Spaß bereitet. Ich habe immer davon geträumt, mal ein SF-Kurzgeschichtenmagazin machen zu dürfen - und diese Bände kamen zumindest in Magazinnähe.
Hatten die Herausgeber in der damaligen Zeit mehr Freiheiten auch einmal Titel zu bringen, die sich nicht ganz so gut verkauften, die dem breiten Lesergeschmack nicht so entsprachen als heute, da nur noch die Verkaufszahlen bestimmen, was veröffentlich wird? Wie siehst Du hier die Entwicklung? Bist Du letztlich froh, nicht diesem Diktat der Zahlen ausgesetzt zu sein?
Ja, im Grunde bin ich froh, dass ich damit nichts mehr zu tun habe. Ich hatte das große Glück, sowohl unter Maria Hönigschmied bei Knaur als auch unter Egon Flörchinger bei Moewig mein Programm machen zu dürfen, ohne dass mir jemand hineingeredet hat. Völlig frei ist man natürlich nie. Speziell bei Moewig war mir bewusst, dass auch die Abenteuerschiene bedient werden musste (womit ich aber nie ein Problem hatte). Hinzu kam, dass ich viele Titel, die ich gern gemacht hätte, nicht kaufen konnte, weil andere Verlage – meistens Heyne – den Daumen drauf hatten. Natürlich hat man auch damals in den Verlagen auf die Verkaufszahlen geschaut, und ich war froh, dass ich Ausreißer nach oben hatte – die „World of Tiers“-Bände von P.J. Farmer bei Knaur, die „Darkover“-Bände von M.Z. Bradley, aber z.B. auch „Planet der Frauen“ von Joanna Russ oder „Die Flamme erlischt“ von George R.R. Martin -, aber im Großen und Ganzen war entscheidend, dass die Reihe insgesamt in den schwarzen Zahlen lag. Weniger gut verkäufliche Titel wurden hingenommen, ohne dem Herausgeber irgendwelche Auflagen zu machen. Dass war übrigens auch bei Heyne, Goldmann und Ullstein so, wo Wolfgang Jeschke, Peter Wilfert bzw. Ronald Hahn weitgehend freie Hand hatten. Die Herausgeber von SF – und die von Krimis übrigens auch - hatten damals eine andere Position. Man hatte sie als Experten engagiert und ließ sie gewähren.
Es ist leider eine Tatsache - Harry Potter zum Trotz - dass das Lesen nicht eben zu den Lieblingsbeschäftigungen der Deutschen gehört. Insbesondere der Nachwuchs fehlt. Wie siehst Du hier die Entwicklung, was könnte man Deiner Meinung nach dagegen tun?
Literatur muss sich heute gegen eine Vielzahl anderer Medien behaupten, aber ich bin überzeugt davon, dass sie, auch in Form von Büchern, überleben wird. Die Welten, die beim Lesen eines Buches im Kopf des Lesers entstehen, weil sich dessen Phantasie dem Text hinzugesellt, sind schwer durch vorgegebene Bildwelten zu ersetzen. Ich glaube, dass langfristig auch wieder mehr Kids zum Buch greifen werden. Der Reiz elektronischer Medien, die ja zum Teil durchaus Kreativität zur Entfaltung kommen lassen, ist natürlich groß. Aber ich habe in meiner Jugend Fanzines produziert, war ein Film-,Theater- und Rockmusikfreak, habe Dutzende von zeitaufwendigen Interessen gehabt – und trotzdem „nebenher“ Tausende von Romanen gelesen, nicht nur SF. Ich vertraue einfach darauf, dass intelligente Kids sich für alles Mögliche interessieren und früher oder später auch das Buch entdecken. Allerdings sind da vor allem die Jugendbuchverlage gefragt, bei denen inzwischen leider ebenfalls nur noch nach Bestsellern geschielt wird – und nach telegenen neuen Autoren, die man durch die Talkshows jagen kann, um diesen Zweck zu beflügeln. Es fehlt die Breite des Angebots, es fehlen preiswerte Alternativen, man geht zu wenig auf die soziale Wirklichkeit und die Interessen der Kids ein. Früher sind viele Kids durch die viel gescholtenen Heftromane an das Lesen herangeführt worden. Heute gibt es nur noch wenige Heftreihen. Warum gibt es keine Jugendbuchverlage, die für wenig Geld abenteuerliche Heftromane – und zwar neue Texte, nicht die ständig nachgedruckten Klassiker - für Jugendliche anbieten? Vor dem Krieg hatten die Jugendbuchverlage solche Berührungsängste nicht.
In den 70ern hast Du zusammen mit Deinem Freund und Kollegen Ronald M. Hahn eine ganze Reihe SF-Jugendbücher, die „Weltraumvagabunden“ verfasst, die mittlerweile auf eBay zu gesuchten Sammlerstücken geworden sind. Hat Dir das Verfassen von Jugendbüchern – ab 1992 hast Du ja auch die Reihe „Ökobande“ verfasst - Spaß gemacht, muss man als Autor hier anders, bewusster an ein Buch herangehen, als an einen Erwachsenenroman, und warum die Kollaboration?
Ronald und ich hatten zuvor schon Erzählungen und Heftromane gemeinsam geschrieben und dabei entdeckt, dass wir nicht nur auf der gleichen Wellenlänge lagen, sondern auch stilistisch gut miteinander harmonierten. Jugendbücher zu schreiben erschien uns als reizvolle Herausforderung und auch als wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe. Die meisten SF-Jugendbücher deutscher Autoren, die damals auf dem Markt waren, gefielen uns nicht, und wir meinten, es besser machen zu können: Spannender, witziger und engagierter. Auf der Buchmesse entdeckten wir beim Ensslin Verlag ein Schild: „Lizenzen gesucht“. Wir unterhielten uns zwei Stunden lang mit der Verlegerin, entwickelten Ideen, legten uns gleich mit ihr an, was Kernkraftwerke anging – und bekamen am Ende des Gesprächs grünes Licht für unsere Serie. Das Ergebnis waren die „Weltraumvagabunden“, sechs Bände mit witzigen Abenteuern von zum Teil behinderten Kindern, die an Bord eines außer Kontrolle geratenen Raumschiffs auf sich allein gestellt sind. Später haben wir dann unter dem gemeinsamen Pseudonym Daniel Herbst eine Reihe von Jugendkrimis geschrieben. Jugendbücher zu schreiben hat mir immer großen Spaß gemacht, was besonders auch für die „Ökobande“ galt, wo Jugendliche Umweltsündern auf der Spur sind. Die „Ökobande“ war recht erfolgreich, obwohl andere Autoren später mit ähnlichen Konzepten, zum Teil auch TV-Serien, besser vermarktet wurden. Wenn man Jugendbücher schreiben will, muss man sich auf den potentiellen Leser einstellen können. Das hat Auswirkungen auf den Stil – möglichst kurze Sätze, witzige Formulierungen, keine gedrechselte Sprache – und auf die Dramaturgie. Der größte Fehler, den man machen kann, besteht darin, die Kids zu unterschätzen. Die Inhalte müssen begreifbar sein, dürfen aber nicht simpel sein. Kids sind viel begeisterungsfähiger, aber ungeduldiger und oft auch kritischer als Erwachsene. Man darf sie weder überfordern noch unterfordern. Wenn ich einem Kid ein Buch von mir gebe und sehe, wie dieses Buch förmlich verschlungen wird, weiß ich, dass es nicht ganz und gar schlecht sein kann.
Du hast schon Ende der 60er in der Terra Heftreihe eine erste Kurzgeschichten-Sammlung vorgelegt. Doch danach wurde es etwas ruhig um den Autor Hans Joachim Alpers - gab es keine Angebote damals bei einer der Heftreihen einzusteigen, oder wolltest Du nicht?
Kurt Bernhardt, der damalige Moewig-Cheflektor, hielt mich für ein neues Talent und wollte mich für die regelmäßige Mitarbeit an „Terra“ gewinnen, aber mir war es damals wichtiger, die „SF-Times“ zu machen und mich in keine Abhängigkeit zu begeben. Als ich in den siebziger Jahren mein Studium an den Uni Hamburg begann, habe ich für „Terra Astra“ den fünfbändigen „Tantalus“-Zyklus geschrieben, was mir half, mein Studium zu finanzieren. Ich verdanke diese Möglichkeit Moewigs SF-Lektor Günther M. Schelwokat, der mir erneut anbot, weiter für „Terra Astra“ zu schreiben, und mir auch Perspektiven in Richtung „Perry Rhodan“ eröffnete, ungeachtet der scharfen Polemik der „SF-Times“ gegen Perry. Eine Mitarbeit an „Perry Rhodan“ wäre für mich damals nicht in Frage gekommen (heute denke ich anders darüber, und wenn ich terminlich etwas Luft habe, werde ich das Angebot von Klaus N. Frick, einen Gastroman zu schreiben, gern annehmen). Dass ich für „Terra Astra“ keine weiteren Romane schrieb, hängt damit zusammen, dass sich zeitgleich bei „Gemini“ Möglichkeiten nicht nur für mich, sondern auch für andere „SF-Times“-Mitarbeiter ergaben. Dann kamen die Jugendbücher bei Ensslin – und die stellten einfach die größere Herausforderung dar.
Auch nach den erwähnten Jugendbüchern sah man Deinen Namen sehr selten auf einem Buchcover - erst in den letzten Jahren hast Du meines Wissens wieder begonnen zu schreiben. Bei den Fans sind Deine „Shadowrun“-Trilogie und die Piratenromane um „Das schwarze Auge“ sehr beliebt. Warum diese lange Abstinenz? Was hast Du in der Zwischenzeit gemacht?
Ich habe mich lange Zeit eher als Lektor und Autor von Sekundärliteratur denn als Autor von Belletristik gesehen. Trotzdem habe ich über die Jahre hinweg das eine oder andere Jugendbuch veröffentlicht, wenn auch meistens außerhalb von SF und Fantasy. Eine richtige Pause gab es erst, als der Konzentrationsprozess im Verlagswesen auch die Jugendbuchverlage erfasste. Verlage wie Ensslin wurden verkauft, andere wie Franckh-Kosmos zogen sich zeitweise von der Jugend-Belletristik zurück. Ich musste wie andere auch die Erfahrung machen, dass man trotz einer stattlichen Liste an Veröffentlichungen von anderen Verlagen wie ein Anfänger behandelt wird, d.h. eingesandte Manuskripte werden nicht gelesen und, wenn überhaupt eine Reaktion erfolgt, mit einem Formbrief von der Sekretärin zurückgeschickt. Trotzdem habe ich eigentlich immer an irgendwelchen literarischen Texten gearbeitet, z.B. Hörspiele geschrieben und einen Roman als Ghostwriter verfasst. Hinzu kommen ein „Ökobande“-Roman, der unveröffentlicht blieb, eine Novellisierung der ersten Episode der TV-Serie „Farscape“ (ebenfalls unveröffentlicht, weil der Verlag in finanzielle Schwierigkeiten geriet) und ein SF-Jugendbuch, das wieder gemeinsam mit Ronald entstand, aber bislang nicht verkauft werden konnte. In jüngerer Zeit habe ich das aufwendig bebilderte Sachbuch „Krieg unter Segeln“ veröffentlicht, das ein weiteres meiner Interessengebiete – Seefahrt – abdeckt.
Ich bin seit 1978 freiberuflich als Lektor und Autor tätig, und ich hatte das Glück, mich mit Lektoratsaufträgen über Wasser halten zu können, wenn sonst nichts lief. Etwas einfacher wurde es, als Fantasy Productions sich so weit etabliert hatte, dass der Verlag mir ein, wenn auch bescheidenes, Grundgehalt zahlen konnte.
Gutes Stichwort - zusammen mit Werner Fuchs und Ulrich Kiesow hast Du den ersten auf Rollenspiele spezialisierten Verlag und Versand - Fantasy Productions - gegründet, und dort das älteste und erfolgreichste Rollenspiel „Das schwarze Auge“ kreiert. Kannst Du uns ein wenig von der damaligen Zielsetzung erzählen - und natürlich: Quo Vadis, FanPro?
Werner Fuchs kannte sich bestens in der amerikanischen Rollenspielszene aus und sah auch in Deutschland eine Chance für solche Spiele. Gleichzeitig wollten wir von Anfang an aber auch SF- und Fantasyliteratur verlegen. Geld hatten wir allerdings so gut wie keines. Aber wir schafften es irgendwie, mit „Schwerten & Dämonen“ das erste Fantasy-Rollenspiel in deutscher Sprache herauszubringen, bald gefolgt von dem SF-Rollenspiel „Traveller“. Parallel dazu veröffentlichten wir „Armaggedon Rock“ von George R.R. Martin und „Die schwarze Schwesterschaft“ von Marion Zimmer Bradley. Mit großem persönlichem Einsatz gelang es uns, von den beiden Hardcovern jeweils fünftausend Exemplare zu verkaufen, was für einen so kleinen Verlag beachtlich war. Aber uns fehlten die Mittel, daran anzuknüpfen und uns mit regelmäßigen Neuerscheinungen im Buchhandel zu verankern. Die Chance des Verlags war der Markt, in dem Werner mit seinem „Fantastic Shop“ schon als Einzel- und Großhändler tätig war: Spezialläden für Rollenspiele. Diese Szene blühte auf, nachdem „Dungeons & Dragons“, „Das Schwarze Auge“ und andere Rollenspielsysteme in Deutschland Furore machten. So konnte Fantasy Productions in einer Kombination aus Verlag und Großhandel langsam wachsen, und einen richtigen Schub gab es mit Spielsystemen wie „Shadowrun“ und „Battletech“. „Das Schwarze Auge“ war von uns kreiert und schon immer von Fanpro redaktionell betreut und produziert, aber anfangs von Droemer und Schmidt-Spiele vertrieben worden. Aber als Schmidt-Spiele Insolvenz anmelden musste, gelang es uns, den Markennamen und das Logo zu kaufen. „Das Schwarze Auge“ war und ist ein Glücksfall für den Verlag, auch wenn die große Zeit des Rollenspiels vorbei zu sein scheint. Das Spiel hat nach wie vor eine treue Fangemeinde, es gibt sehr erfolgreiche DSA-Abenteuer für das Handy, und demnächst kommt endlich auch wieder ein DSA-Computerspiel auf den Markt. In den letzten Jahren haben wir aber wieder an die Gründerjahre angeknüpft und eine Vielzahl von Büchern und Taschenbüchern veröffentlicht. Was uns damals nicht gelang, ist inzwischen Wirklichkeit: Wir sind im Buchhandel verankert. In diese Richtung wollen wir uns weiter bewegen, und zwar auch außerhalb von Büchern vor dem Hintergrund von Spielwelten. Nachdem wir schon von George R.R. Martin die HC-Ausgaben der „Ice and Fire“-Bände sowie „Dying of the Light“ und „Windhaven“ und mit „Das Voynich-Rätsel“ von Florian F. Marzin einen archäologischen Thriller veröffentlicht haben, werden wir in Zukunft weitere SF und Fantasy herausbringen, z.B. die „Dying Earth“-Romane von Jack Vance und demnächst auch Erstveröffentlichungen.
Werner Fuchs hat anlässlich der Stuttgarter Buchwochen berichtet, dass der Kontinent Aventurien in den vielen Romanen und Spielanleitungen bis ins letzte erforscht und entdeckt ist. Der Offerte eines terra incognita - „Myrador“ -,ein frischer, unerforschter Kontinent mit unbekannten Wesen aber, wurde von den Lesern nicht angenommen - was meinst Du warum nicht, wollen Leser tatsächlich immer wieder dieselbe bekannte Geschichte in minimalen Variationen lesen? Was wollt ihr hier tun - wie gesagt: Aventurien ist „überentdeckt“ - wie sind da die aktuellen Pläne?
Den „DSA“-Fans geht es in der Beziehung wie „Perry Rhodan“-Fans: Die Welt, in der sie sich zu Hause fühlen, ist im Laufe der Jahre so vielfältig geworden, dass man sie nicht so ohne weiteres gegen etwas Neues eintauschen mag. Ich werte das nicht negativ, zumal die „Das Schwarze Auge“-Welt wie „Perry Rhodan“ ja nicht starr ist, sondern stetig weiterentwickelt wird. Was mich angeht, so bin ich eher der Typ des Weltensammlers, dem eine Welt nicht ausreicht, aber ich akzeptiere es, wenn andere Menschen meine Auffassung nicht teilen.
Bei Heyne, jetzt zu Piper gewechselt hast Du Deine eigene Reihe von Abenteuern in Aventurien kreiert. „Rhiana, die Amazone“, so heißt diese Reihe, in der eben jene Amazone im Mittelpunkt der Handlung steht. Du zeichnest nicht nur für den Entwurf und die Exposés der Romane verantwortlich, sondern schreibst auch aktiv mit. Wie kam es zu Rhianna, warum hast Du Deine Schöpfung auch anderen Autoren geöffnet, und wie hast Du Dir Dein Autorenteam ausgewählt?
Rhiana wurde von mir ursprünglich in Zusammenarbeit mit einer bekannten Berliner Produktionsfirma als TV-Serie konzipiert, aber der Interessent RTL ist dann doch abgesprungen, weil man lieber auf OP-Säle statt auf Fantasy setzen wollte. Als dann von verschiedener Seite an uns herangetragen wurde, dass die DSA-Romanreihe von Fantasylesern, die keine Rollenspieler sind, nicht angenommen wird, weil ein Grundwissen vorausgesetzt wird, kam mir die Idee, das Rhiana-Konzept für eine Taschenbuchserie zu nutzen, die „normalen“ Fantasylesern den Einstieg erleichtert. Um Rhiana-Abenteuer zu lesen, muss man überhaupt nichts über „Das Schwarze Auge“ wissen. Obendrein handelt die Serie hundert Jahre vor der Zeit, in denen die DSA-Spielkampagnen stattfinden. Das erleichtert auch den Autoren ein bisschen den Umgang mit dem Stoff. Trotzdem ist es nicht leicht, sich als Autor in Aventurien zu bewegen, denn wie Du schon angemerkt hast, ist die DSA-Spielwelt in mancher Hinsicht so sehr „überentdeckt“, dass der Autor beim Schreiben alle möglichen Details beachten muss, von aventurischer Geschichtsschreibung bis hin zu Anredeformen, Speisen, magischen Ritualen oder im Alltag gebräuchlichen Gegenständen. Ich hatte von Anfang an nicht vor, die Serie allein zu schreiben. Vier „Rhiana“-Bände pro Jahr (wie Heyne sie geplant hat) hätten mir kaum Luft für etwas anderes gelassen. Und ich wollte Rhiana und ihre Freundin Finni auch nicht allein aus männlicher Sicht schildern, sondern unbedingt eine weibliche Koautorin haben. Aus den erwähnten Gründen konnte dies nur eine Autorin mit DSA-Erfahrung sein. Mit Daniela Knor habe ich eine ausgezeichnete Autorin gefunden, die schon vor Rhiana DSA-Romane veröffentlicht hat, die zu den besten Texten der Reihe zählen. André Wiesler hat nur ein einmaliges Gastspiel gegeben und sich dann anderen Projekten zugewandt. Da Piper nur zwei „Rhiana“-Bände im Jahr veröffentlicht, sind zwei Autoren auch völlig ausreichend.
Auf wie viele Romane ist „Rhiana“ ausgelegt - gibt es eine feste Planung, oder ein Open End?
Es gibt bislang einen Vertrag über insgesamt acht Bände, der aber verlängert werden soll. Grundsätzlich ist die Serie auf beliebig viele Romane angelegt, allerdings mit fortschreitender Handlung, d.h. Rhiana und ihre Freundin werden älter, die Geschichte schreitet voran, die Auseinandersetzungen mit dem Flammenbund verschärfen sich. Aber in der Fantasy lässt sich dieses Problem ja lösen. Sollte der Verlag allerdings irgendwann frühzeitig sagen, dass die Serie nicht fortgeführt wird, würde ich zumindest einen provisorischen Abschluss konzipieren. Es gibt ohnehin bestimmte Etappenziele bis hin zum finalen Kampf mit dem Flammenbund. Für den Fall, dass durch einen solchen finalen Kampf eine Art Abschluss erfolgt, kann die Serie trotzdem fortgeführt werden – mit neuen Zielsetzungen und zum Teil auch neuen Charakteren. Gern würde ich auch die Jugendabenteuer von Rhiana schildern. Mal sehen.
Über die Jahre ist Dein Name auch immer wieder bei den maßgeblichen Lexika in Erscheinung getreten. Gerade in den letzten Jahren hat FanPro mit dem „Lexikon der Horrorliteratur“ und seinem Fantasy Pendant hier für Furore gesorgt. Wann wird das SF Lexikon folgen? Rechnet sich wirtschaftlich gesehen ein solches Nachschlagewerk?
Es rechnet sich leider überhaupt nicht, und deshalb überschlägt sich Fanpro nicht gerade, um das SF-Lexikon herauszubringen. Es wird sicherlich doppelt so dick wie das Fantasy-Lexikon, weil wir die bisher vernachlässigte Vorkriegs- sowie die Jugendbuch-SF ausführlich einbringen und bei allen Autoren mehr Substanz bieten wollen, d.h. stärker auf die Inhalte eingehen wollen. Ein solch gewaltiges Werk verursacht in einem kleinen Verlag immense Probleme und ist mit einem hohen verlegerischen Risiko behaftet. Aber wir werden es herausbringen. Ich arbeite an dem Lexikon, wann immer ich Zeit dafür finde, und habe schon gut tausend Seiten im Computer – und ich bin nur einer von vier Herausgebern. Aber es wird wohl noch zwei Jahre dauern, bis das Buch erscheint.
Bei all der Sisyphosarbeit die in solchen Büchern steckt - wäre eine CD-Rom oder gar eine ständig aktualisierbare Online-Datenbank nicht sinnvoller?
Wir wollen das Werk unbedingt als Buch sehen. Wenn dieses dritte und letzte Lexikon zur Phantastischen Literatur vorliegt, werden wir darüber nachdenken, was wir mit den Daten der drei Lexika machen. Wahrscheinlich läuft es auf eine der beiden von Dir genannten Möglichkeiten hinaus – aber erst, wenn zumindest die Druckkosten wieder hereingekommen sind.
Wie sind die weiteren Pläne des Autors, des Herausgebers, des Masterminds Hans Joachim Alpers für die nächste Zukunft - was hast Du in Planung bzw. vielleicht schon angefangen?
Als Mastermind sehe ich mich nicht, nur als emsigen Arbeiter. Als Autor habe ich meinen dritten „Rhiana“-Roman abgeschlossen (erscheint Ende März) und schreibe in diesem Jahr noch zwei weitere, da Daniela im Moment keine Zeit hat. Geplant ist ein realistischer Jugendkrimi für einen großen deutschen Jugendbuchverlag, der milieugeschädigte, halbkriminelle Jugendliche als Protagonisten hat und ganz anders als meine bisherigen Jugendbücher konzipiert ist. Da warte ich aber noch auf das endgültige Okay des Verlags. Die erwähnte „Rhiana“-Jugendbuchserie ist ebenfalls eine Option. Außerdem möchte ich an „Krieg unter Segeln“ anknüpfen und ein weiteres Buch über ein Seefahrtsthema machen. Und schließlich gibt es noch ein schon ziemlich ausgefeiltes Exposé sowie Vorstudien für eine Alternativweltroman-Trilogie, die in der Hansezeit angesiedelt ist. Was die Tätigkeit als Lektor und Herausgeber angeht, so werde ich mich künftig stärker bei Fanpro einbringen.
Vielen Dank, dass Du Dir für uns Zeit genommen hast. Wir wünschen Dir alles Gute.
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