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  Interview: Im Gespräch mit: Marcus Reichard
Geschrieben am Saturday, 09.May. @ 09:46:52 CEST von Guido
 
 
  Interview Im März dieses Jahres erschien bei Hoffmann und Campe mit "Das Siegel der Finsternis" der Debütroman von Marcus Reichard. Hoffmann und Campe ist nun nicht eben bekannt dafür, High-Fantasy zu verlegen, noch dazu von einem bis dato unbekannten Autor. Um hier einen Vertrag zu ergattern, muss das Gebotene die Lektoren überzeugt haben. Doch wer steckt hinter dem Buch? Unser Mitarbeiter Carsten Kuhr suchte das Gespräch mit dem Autor.

Hallo Herr Reichard. Könnten Sie uns zu Beginn ein wenig von Ihnen erzählen? Der Verlag war nicht eben großzügig, was die Vorstellung des Autors anbelangt. In München geborener Psychotherapeut, der mittlerweile in der Schweiz praktiziert. Wer steckt hinter dem Namen?

Hallo und vielen Dank für die Möglichkeit zum Interview! Viel gibt es zu meiner Person tatsächlich gar nicht zu sagen, was den Leser interessieren könnte: Ich bin vierzig Jahre alt und lebe seit einigen Jahren am Bodensee, wohin ich schon während des Studiums gezogen bin. Früher habe ich semiprofessionell Musik gemacht und einige CDs mit Meditationsmusik, Jazz und Progressivrock veröffentlicht. Seitdem ich mich wieder ganz dem Schreiben widme, ist es wieder still geworden in der Welt. ;-)

Wie kamen Sie zum Schreiben?

Ich habe schon recht früh mit dem Schreiben begonnen. In meiner Jugend - ich war ungefähr Zwölf - las ich die letzten Seiten von Tolkiens „Der Herr der Ringe“ und war maßlos enttäuscht, dass es keine Fortsetzung gab. Also entschloss ich mich, meine eigene Fantasy-Welt zu kreieren, die ich Algarad nannte. Seitdem habe ich diese Welt ständig weiterentwickelt, so dass sich an der ursprünglichen Geschichte und am Gesamtkonzept vieles geändert hat. Aber ich habe auf diese Weise den Vorteil, auf einer mittlerweile recht durchdachten Historie aufbauen zu können.

Was machen Sie, wenn Sie nicht vor der Tastatur sitzen - bleibt Ihnen Zeit für Hobbies?

Momentan habe ich in der Tat wenig Zeit für anderes. Ich schreibe vorzugsweise abends und am Wochenende, und die übrig bleibende Freizeit verbringe ich am liebsten mit meiner Freundin und unseren gemeinsamen Freunden.

Nun ist es ja nicht unbedingt üblich, dass ein Therapeut einen Roman schreibt - eher wohl, dass er seinen Patienten als Therapie aufgibt, ihre Gefühle, ihre Ängste und Sorgen in einem kreativen Werk herauszulassen - wie sieht dies bei Ihnen aus? War oder ist das Schreiben für Sie eine Art Ventil, eine Stressbewältigung?

Zunächst mal: ich trenne meinen Beruf strikt von meiner Tätigkeit als Autor. Mir ist es nicht wichtig, mit meinen Romanen eine Botschaft zu übermitteln oder gar therapeutisch tätig zu sein, die Leser sollen nicht das Gefühl haben, Fantasy mit therapeutischem Touch zu erhalten. Ich will einfach „nur“ gute Unterhaltung schreiben. Nun zur Frage: Das Schreiben ist für mich eine andere Form zu träumen. Ich liebe es, mich in andere Welten zu versetzen und an den abenteuerlichen Erlebnissen der unterschiedlichen Romanfiguren teilzuhaben. Es ist die Lust zu spielen, aus bestehenden Schemata der Realität auszubrechen. Es ist fast wie ein Rollenspiel, nur dass ich als Autor alle Charaktere und die sich entwickelnde Geschichte steuern kann.

Stichwort Fluchtliteratur. Ist Fantasy für Sie Fluchtliteratur?

Nicht im negativen Sinn, wie man den Begriff Fantasy zunächst verstehen könnte, also als Luftschloss, als nichtige Träumereien. Der Schriftsteller Lloyd Alexander hat es mal so ausgedrückt: „Fantasy ist keine Flucht vor der Realität, sondern vielmehr eine Art sie zu verstehen.“ Sie ermöglicht es den Menschen, sich mit Konflikten und grundsätzlichen Fragen des menschlichen Daseins in symbolischer Form zu beschäftigen. Das klingt allerdings schon wieder sehr philosophisch, und ich finde, dass man Fantasy weiterhin auch ohne diesen Anspruch lesen oder schreiben sollte. Schließlich ist es Unterhaltungsliteratur und sollte in erster Linie Spaß machen.

„Das Siegel der Finsternis“ ist der Auftaktband zu einer großen Fantasy-Saga - so zumindest der Verlag. Auf wieviele Bände ist die Saga ausgelegt, und in welchem Abstand sollen diese erscheinen?

Die genaue Anzahl der Bände steht noch nicht fest. Es werden sicherlich zwei weitere Bücher folgen, wovon Band 2 im Herbst 2010 erscheinen wird, der Dritte wahrscheinlich 2011. Ein viertes Buch könnte sich anschließen, in dem die Vorgeschichte zum „Siegel der Finsternis“ beschrieben wird. Dies ist abhängig davon, wie die Saga vom Publikum aufgenommen wird. Jetzt gerade wurde bei Radioropa das Hörbuch des ersten Buchs des Zyklus veröffentlicht, um den Fans die Wartezeit bis zum zweiten Teil zu verkürzen.

Inwieweit haben Sie hier Ihre Handlung für die jeweiligen Bände ausskizziert?

Ich habe beim Verlag Hoffmann und Campe ein komplettes Exposé von drei Bänden eingereicht, das angenommen wurde. Der große Handlungsbogen besteht also schon, was auch unabdingbar ist bei der Komplexität der Geschichte.

Haben Sie vom Verlag aus irgendwelche Vorgaben, was Inhalt und Umfang des Romans anbelangt, bekommen?

Die Geschichte ist so breit angelegt, dass ich keinen der Bände unter 500 Seiten schreiben kann, es werden pro Buch eher mehr werden. Ich habe vom Verlag keine besonderen inhaltlichen Vorgaben bekommen, außer vielleicht, die eine oder andere Szene oder Charakterisierung einer Figur deutlicher herauszuarbeiten.

Hatten Sie Einfluss auf die äußere Gestaltung des Buches?

Ich war stark in den Gestaltungsprozess der Karte von Algarad involviert und habe die Vorlage der Lage und Form der einzelnen Inseln geliefert. Auf die Gestaltung des Covers habe ich keinen sonderlichen Einfluss genommen, mich stattdessen ganz auf das Know-how der Grafik- und Werbeabteilung von Hoffmann und Campe verlassen. Ich bin sehr zufrieden mit dem Cover, unterstreicht es doch gut die düstere Stimmung der Grauen Sphären und das Genre der High-Fantasy.

Wie erlebten Sie die Zusammenarbeit mit dem Lektorat - war das hilfreich, oder eher ein „Gegängelt-Werden“, mussten Sie viel ändern?

Die Zusammenarbeit mit meinem Lektor Wolfram Hämmerling war ausgezeichnet. Er besitzt das richtige Gespür dafür, was einem Text gut tut und geht sehr subtil und vorsichtig mit einem Manuskript um. Er gibt klare Vorgaben und Verbesserungsvorschläge, aber er lässt dem Autor gleichzeitig die Freiheit zu bestimmen, was er davon umsetzen möchte. Ich habe mich seinen Vorschlägen gerne angeschlossen, da ich merkte, dass sie mich als Autor weiterentwickelten und neue Sichtweisen einbrachten, die ich alleine nie gesehen hätte.

Reduziert man die Handlung des Romans, so bieten Sie Ihrem Leser eine altbekannte Queste. Held sucht und findet ihn unterstützende Freunde und muss das Böse davon abhalten, sein Ziel auf einer archaischen Welt zu erreichen. Was wollten Sie in Ihrem Zyklus anders machen, als die Anderen?

Ich bin ans Schreiben nicht mit der Haltung herangegangen, das Rad der High-Fantasy neu zu erfinden, sondern dem Leser eine Welt zu präsentieren, die neue, faszinierende Schauplätze und Wesen zeigt und ihm einige vergnügliche Stunden in Algarad beschwert. Dadurch, dass ich die Geschichte in ein Inselreich und aufs Wasser verlegt habe, entsteht schon mal eine andere Atmosphäre als bei den üblichen Fantasy-Romanen dieser Art. Außerdem war mir wichtig, die Entwicklung des jungen Helden und seine Reifung zum Mann zu beschreiben, was im Verlauf der weiteren Bücher durchaus tragische Züge annehmen kann - ein Aspekt, der bei dieser Art der Literatur oft vernachlässigt wird. Es wird in den Folgebänden noch einige Wendungen und Überraschungen geben, die Geschichte wird düsterer werden.

Das bringt mich zu der Frage, welche Autoren Sie bewundern, wer Sie inspiriert hat?

Wie schon eingangs erwähnt, hat J.R.R. Tolkien mich beeinflusst, aber mindestens in gleichem Maße auch Lloyd Alexander, Otfried Preußler, Ursula K. LeGuin, Marion Zimmer Bradley.

Ihre Gestalten nahmen im Verlauf der Handlung immer komplexere Züge an. Hilft Ihnen hier Ihre Ausbildung und Erfahrung als Therapeut überzeugende, vielschichtige Personen zu kreieren?

Ich glaube, dass es archetypisch angelegte Themen und Figuren gibt, die nahezu jeden Menschen ansprechen. Diese Archetypen finden sich in jedem Mythos, aber auch in jeder guten Fantasygeschichte. Von daher gibt es eine Verbindung zwischen Psychologie und Fantasy, die sich in der Beschreibung und Entwicklung der Figuren niederschlägt. Ich glaube, das ist einer der Gründe, warum die alte „Star Wars“-Trilogie und auch „Der Herr der Ringe“ weltweite Erfolge sind, weil sich jeder mit einer anderen Figur identifizieren kann und die Filme und Bücher Geschichten erzählen, die uns Menschen auf einer ganz tiefen Ebene ansprechen. Um vielschichtige und überzeugende Personen zu kreieren, muss man aber glücklicherweise kein Therapeut sein, wie viele andere Schriftstellerkollegen beweisen. ;-)

Welche Bücher harren gerade darauf, dass Sie sich für sie Zeit nehmen?

Aktuell habe ich gerade die Trilogie „Die Königin der Orks“ von Morgan Howell beendet, die mir sehr gut gefallen hat. Ich hoffe, mir bald die Bücher von Trudi Canavan, Joe Abercrombie und Alison Croggon zu Gemüte führen zu können, aber da ich gerade mit dem Schreiben des zweiten Bandes beschäftigt bin und auch noch ein Privatleben habe, bleibt leider sehr wenig Zeit zum Lesen.

An was arbeiten Sie gerade?

Momentan bin ich damit beschäftigt, den zweiten Band des Fantasyzyklus über das Reich Algarad zu schreiben. Er wird voraussichtlich im Herbst 2010 erscheinen.

Wieviel von Ihnen selbst steckt in Tenan?

Da ich mittlerweile einige Jährchen älter bin als mein Protagonist, kann ich guten Gewissens sagen, dass nur noch wenig von Tenan in mir steckt, jedenfalls nicht mehr bewusst. Ich bin auf alle Fälle nicht so hitzköpfig und eingenommen von mir ;-). Vielleicht hätte ich die Frage anders beantworten müssen, wenn sie mir vor 20 Jahren gestellt worden wäre.

Benutzen Sie reale Personen als Vorbilder für Ihre Figuren?

Definitiv nein! Obwohl ich zugeben muss, dass mir der Gedanke kam, manch lebendem Zeitgenossen als Karikatur seiner selbst einen Platz im Buch zu geben.

Hatten Sie, als Sie mit dem Manuskript anfingen, bereits einen Verlag für das Werk? War es schwierig Hoffmann und Campe für „Das Siegel der Finsternis“ zu begeistern?

Der erste Kontakt zu Hoffmann und Campe kam durch meine Literaturagentin zu Stande. Ich hatte das Glück, durch ihre Vermittlung mit dem richtigen Manuskript zur rechten Zeit am richtigen Ort zu sein, denn der Verlag wollte der Fantasy einen festen Platz im Verlagsprogramm einräumen, und man begeisterte sich aufgrund der Story sehr schnell für das Buch. Ich bin sehr glücklich, mit diesem renommierten Verlag zusammenzuarbeiten, dass Team ist begeistert und setzt sich voller Elan für den Roman ein.

Wann und wo schreiben Sie? Zu Hause, oder haben Sie ein ruhiges Plätzchen wo Sie sich ganz auf Ihre Muße konzentrieren können?

Ich schreibe meistens am Wochenende oder am Feierabend in den späten Abendstunden, meistens in meinem Arbeitszimmer oder ich schnappe mir den Laptop und setzte mich an ein stilles Plätzchen am Bodensee. Musik ist auch noch ein ganz wichtiges Mittel, um mich zu inspirieren und in Stimmung zu bringen. Ich höre dann am liebsten epische Soundtracks.

Wie lange dauert es von den ersten Notizen bis ein Buch fertig ist?

Im Falle meines ersten Buches dauerte das Schreiben rund zwei Jahre, wobei ich schon vieles vorher ausgearbeitet hatte, auf der sich zurückgreifen konnte. Ich begann ja schon einige Jahre früher, die Geschichte Algarads zu beschreiben, arbeitete aber damals nicht kontinuierlich daran. Der kommende zweite Band wird wahrscheinlich schneller fertig sein, da ich auf eine bestehende Geschichte und ausgearbeitete Charaktere zurückgreifen kann.

Haben Sie schon vor Publikum gelesen - wie war das für Sie, Ihr Werk, Ihr eigen Kind vorzutragen und die Reaktionen hautnah mitzuerleben? Wie erhalten Sie Feedback von Ihren Lesern?

Bisher hatte ich noch nicht die Möglichkeit, vor Publikum zu lesen. Vielleicht ergeben sich im Sommer und Herbst ein paar Events. Reaktionen auf mein Buch erhielt ich bisher über die Kritiken und Rezensionen auf einschlägigen Homepages und das Feedback der Leser bei den Onlineshops - bisher erfreulich positiv.

Ich habe gehört, dass sich die Handlung manchmal verselbständigt, dass der Autor von seinem Plot regelrecht mitgerissen wird - wie sieht das bei Ihnen aus?

Das passiert mir höchstens am Anfang des Schreibprozesses, wenn ich ein Exposé ausarbeite. Zum Glück habe ich einen Lektor, der mir dann hilft, alles wieder in lesergerechte Bahnen zu lenken. Ansonsten plane ich die einzelnen Kapitel im Voraus sehr genau, so dass ich teilweise schon eine ungefähre Vorstellung davon habe, wie viele Seiten eine Szene und ein Kapitel haben wird. Verselbstständigen kann sich da nicht mehr viel, aber es bleibt noch genug Raum für Spontaneität und Improvisation.

Sind Sie in der Schweizer Phantastik-Szene involviert? Haben Sie hier Unterstützung erhalten?

Bisher habe ich wenig Verbindungen zur Phantastik-Szene, weder in Deutschland, wo ich mich häufig aufhalte, noch in der Schweiz. Das wird sich möglicherweise ändern, wenn ich irgendwann in Zukunft bei Lesungen, Conventions oder Buchmessen auftrete.

Vielen Dank, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben. Wir wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute!

Vielen Dank für das Interesse und meinen Lesern weiterhin viel Spaß mit „Das Siegel der Finsternis“!


Christel Scheja Rezension zu „Das Siegel der Finsternis“ ist hier zu finden.
 
 
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