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  Interview: Im Gespräch mit: Andreas Gruber
Geschrieben am Sunday, 24.February. @ 09:28:58 CET von Guido
 
 
  Interview Andreas Gruber wurde 1968 in Wien geboren. Er studierte an der Wirtschaftsuniversität Wien, arbeitet halbtags im Büro eines Pharma-Konzerns, hat einen Sohn und lebt verheiratet in Grillenberg in Niederösterreich. 1997 begann er mit dem Schreiben von Kurzgeschichten, mehrfach wurde er mit dem Deutschen Phantastik Preis geehrt, zuletzt für seinen bei Festa erschienenen Roman „Der Judas-Schrein“. Das Erscheinen von zwei neuen Romanen hat unser Mitarbeiter Carsten Kuhr genutzt, um ein weiteres Mal das Gespräch mit dem Autor zu suchen.

Hallo Herr Gruber. Ein paar Jahre ist es her, dass wir unser erstes Interview zusammen geführt haben, Jahre, die Sie nicht untätig verbracht haben. Ihre Vita weist aus, dass Sie zwischenzeitlich das Hobby halbtags zum Beruf gemacht haben, Sie geben Schreibseminare und es erscheinen regelmäßig Bücher mit Ihrem Namen auf dem Cover. Einmal ganz provozierend gefragt – können Sie sich jetzt als arrivierter Autor gemütlich zurücklehnen, wissen Sie doch, dass Sie für Ihre Manuskripte einen Abnehmer finden werden?

Leider nein. Der Nervenkitzel ist ja nicht, ob das Manuskript einen Verlag findet, sondern ob das Buch die Leser findet. Was nützt es – um ein Beispiel zu nennen – wenn der nächste Roman als Hardcover bei Droemer/Knaur rauskommt, wenn sich das Buch nicht verkauft. Ich meine damit, dass es mit der bloßen Abnahme des Manuskripts nicht getan ist. Entscheidend sind die Leserstimmen und Buchbesprechungen. Aber um die Frage zu beantworten: Ich kann mich gar nicht gemütlich Zurücklehnen. Leider bin ich ein rast- und ruheloser Mensch. Sobald sich ein Projekt dem Ende nähert, brütet mein Hirn schon unwillkürlich neue Ideen aus.

Es fällt auf, dass Sie sich inhaltlich immer weiter von der Phantastik entfernen. Nach den Horror-Storys in „Der fünfte Erzengel“ und den SF-Storys in „Die letzte Fahrt der Enora Time“ ist „Schwarze Dame“ ein lupenreiner Krimi – warum der Wechsel des Genres?

Das war überhaupt nicht geplant, sondern hat sich so entwickelt. Bereits mit dem Roman „Der Judas-Schrein“ habe ich die Annäherung zwischen Horror und Krimi versucht und während des Schreibens bemerkt, dass mir die Arbeit im Thriller-Genre Spaß macht. Dann hatte ich die Idee zum „Schwarze Dame“-Plot, und da ließ sich nun mal kein phantastisches Element einbauen. Horror gibt’s zwar genug im Buch, aber eben nur realistischen Horror. Ob mir der Schwenk zwischen den Genres letztendlich nützt, wage ich zu bezweifeln, aber die Sache ist die: Ich lese selbst gern Romane aus verschiedenen Genres wie Science Fiction, Horror, Phantastik, Thriller, Krimis oder Satiren – und das Problem ist, dass ich liebend gern schreibe, was ich selber lese.

Wurden zu Beginn Ihrer Autorentätigkeit eher kürzere Texte veröffentlicht, haben Sie seit „Der Judas-Schrein“ nur mehr Romane vorgelegt – warum? Liegt Ihnen der längere Text eher, oder ist das der Druck des Marktes, der umfangreiche Romane, ja Serien bevorzugt?

Da meine Bücher im Moment noch nicht in den Großverlagen gedruckt werden, muss ich mich Gott sei Dank noch nicht dem Druck des Marktes beugen und mich mit Bestseller-Gedanken herumschlagen. Ich kann mir aussuchen, was ich wie schreiben möchte. Frank Festa bezeichnete den „Judas-Schrein“, meinen ersten veröffentlichten Roman, als Fingerübung – ich selbst sehe es eher als Feuertaufe, denn durch meinen Lektor Malte Sembten habe ich viel über den Unterschied zwischen Roman und Kurzgeschichten gelernt. Das klingt jetzt vielleicht banal, aber das Schreiben eines Romans ist eine völlig andere Arbeitsweise, die ich erst lernen musste. Beim Roman hat man unendlich mehr Möglichkeiten, das Ding in den Sand zu setzen, aber auch mehr Möglichkeiten, mehrdimensionale Charaktere zu entwerfen, eine komplexe Handlung zu entwickeln, Rückblenden einzubauen, Plotelemente zu platzieren und zu ernten oder Subplots mit der Haupthandlung zu verknüpfen – es ist ungefähr so, als würde man nicht auf den Hausberg sondern auf den Großglockner radeln. Ich habe Blut geleckt, wie man so schön sagt, und das Romanschreiben für mich entdeckt. Dazwischen gibt es aber trotzdem – zwar nicht mehr so oft, aber hin und wieder – Zeit für eine Kurzgeschichte, falls mir eine Idee nicht mehr aus dem Kopf will.

Sie sind gebürtiger Österreicher, leben und arbeiten im Alpenstaat. Nun gibt es abgesehen von wenigen österreichischen Großverlagen und diversen umtriebigen Kleinverlagen mittlerweile kaum mehr eine eigenständige Verlagslandschaft. Die Buchhandlungen werden von den Großkonzernverlagen beherrscht – wie schätzen Sie die Entwicklung ein?

In Wien ist es so, dass die großen Buchhandelsketten wie Libro, Thalia, Donauland oder Andreas & Müller ähnlich strukturiert sind und ein fast identisches Sortiment haben. Sucht man nach Büchern abseits der Bestsellerlisten, muss man in eine Spezialbuchhandlung gehen, die man im Normalfall gar nicht findet, wenn man nicht weiß, wo man suchen muss, z. B. einen Crimestore oder einen SF- & Fantasy-Shop. Auf der anderen Seite ist es aber so, dass die Großkonzernverlage – wie Sie sie bezeichnen – keine Risiken eingehen und ihr Programm nur mehr auf Nummer Sicher setzen, d.h. für Newcomer ist kaum Platz, ebenso wenig für Romane abseits der gängigen Massen-Genres. Diese Nische ist die Chance für Klein- und Mittelverlage, jenes Publikum zu bedienen, das sonst auf der Strecke bleiben würde. Die Frage ist nur, wie es die Klein- und Mittelverlage in die Regale der Buchhandelsketten schaffen? Ich kenne die Antwort nicht, denke aber, dass moderne Entwicklungen wie print-on-demand oder Werbung in Internet-Foren eher Vorteile für Kleinverlage sind.

Sie veröffentlichen in kleineren, dafür umso engagierteren Verlagshäusern. An der Qualität kann dies nicht liegen – das beweisen nicht nur die Auszeichnungen, die Ihre Werke immer wieder erfahren. Warum hat es mit dem Sprung zu einem der Großverlage bislang noch nicht geklappt – mangelndes Interesse Ihrerseits, oder eine bewusste Entscheidung?

Das Interesse, in einem Großverlag zu veröffentlichen ist da. Würde ich es abstreiten, wäre es glatt gelogen. Es gibt auch Versuche, Manuskripte oder Taschenbuchrechte an Großverlage zu verkaufen, aber bisher hat es nicht geklappt. Eines der Probleme – vielleicht sogar das größte – ist mein Hang zur Abwechslung und zur Vielfalt. Ich möchte mich nicht ständig wiederholen und irgendwann mal in eine Situation kommen, wo der Titel meines neuen Romans lautet: „Inspektor Klingovskis 87. Fall“. Wie bereits erwähnt, lese ich gern SF, Horror und Thriller und schreibe auch gern Texte in diesen Genres. Zwar hat sich im Lauf der letzten Jahre herauskristallisiert, dass mir das Schreiben im düsteren Thriller- und phantastischen Horror-Genre am meisten Spaß macht. Doch was nützt das? Großverlage müssen ihre Autoren – zumindest die Newcomer – schubladisieren und in eine bestimmte Reihe stecken, weil der Markt nun mal so funktioniert. Das nächste Problem ist, dass ich auf keinen Trend aufspringen möchte. Ich will meine Seele nicht für einen Bestseller verkaufen und etwas Schreiben, von dem ich nicht hundertprozentig überzeugt bin. Ich bleibe lieber mir und meinen Ideen treu, und habe dafür stets Freude am Schreiben. Falls das mal mit einem Großverlag klappen sollte, gut so – falls nicht, dann eben nicht.

Was bedeuten Ihnen Preise wie der Deutsche Phantastik Preis, der Lasswitz Preis oder der Deutsche Science Fiction Preis?

Ich freue mich über jede Nominierung zu diesen Literaturpreisen, vor allem deshalb, weil das Publikum, die Autorenkollegen oder eine Jury den Text für nominierungswürdig erachten. Das ist für mich die größte Anerkennung und zeigt, dass die Story oder der Roman jemandem gefallen hat und die Leser etwas damit anfangen konnten. Ich schreibe zwar fürs Publikum, da ich in erster Linie unterhalten möchte, aber trotzdem nur Geschichten, die mir persönlich am Herzen liegen, über Charaktere und Plots, die mich interessieren. Falls ein Text sogar noch einen Preis gewinnt, ist das dann natürlich der Hammer.

Zu Beginn Ihrer Karriere haben Sie zwei Romane fertig gestellt, die dann von keinem Verlag angenommen wurden. Seitdem entwerfen Sie ein detailreiches Exposé, das Sie dann dem interessierten Verlag vorlegen. Was ist mit den beiden fertigen Romanmanuskripten passiert?

Das erste davon ist von der Festplatte gelöscht worden. Und ganz ehrlich: es war nicht schade darum! Ich habe einen Papierausdruck davon, knapp 500 Seiten in einem Büroordner, und eines Tages, wenn ich sechzig Jahre alt bin und im Urlaub am Strand liege, werde ich das Buch lesen und mich köstlich amüsieren. Das zweite Manuskript ist ebenfalls knapp 500 Seiten dick und eine SF-Space Opera mit mächtig viel Action und überraschenden – und wie ich hoffe, spannenden – Wendungen. Der Werktitel lautet: „Die Monolithen des Universums“. Ich habe es bereits mehrmals überarbeitet, aber der Feinschliff fehlt noch. Irgendwann einmal werde ich es einem Verlag anbieten, aber die Zeit ist noch nicht reif dafür – andere Projekte sind im Moment vorrangig.

„Schwarze Dame“ ist ein Krimi, den Sie in Prag angesiedelt haben. Bei der Lektüre findet sich der Leser unwillkürlich in die Stadt an der Moldau hineingezogen. Haben Sie Prag besucht, haben Sie vor Ort recherchiert, was verbinden Sie selbst mit der goldenen Stadt?

Ursprünglich verband mich nichts mit der Stadt. Ich kannte bloß einige Reiseberichte von Freunden, die davon schwärmten, dass die Stadt ähnlich schön und alt wie Wien sei, mit all ihren Gebäuden aus der k.u.k Monarchie. Dazu kommt, dass die Stadt immer mit der Legende des Golem verbunden wird, wodurch sie zumindest mystischer als Wien wirkt. Ich wollte nicht schon wieder eine Story in Wien ansiedeln, so wie „Jakob Rubinstein“, oder an der niederösterreichisch-burgenländischen Grenze, so wie „Der Judas-Schrein“, sondern einen Plot einmal ins Ausland verlegen. Da Deutschland von meinen deutschen Autorenkollegen okkupiert wird, entschied ich mich für das mystische Prag. Ich las viel im Internet über Prag, googelte etliche Bilder und räumte in einem Anfall von Recherchen-Wahnsinn aus drei Leihbibliotheken sämtliche Prag-Reiseführer. Wer „Schwarze Dame“ gelesen hat, weiß, dass das Stadtbild Prags intensiv mit der Handlung des Thrillers verflochten ist. Ich brütete wochenlang über dem Stadtplan und tüftelte am Exposé herum. Während ich den Roman schrieb, überraschte mich meine Frau mit der Einladung zu einer Städtereise nach Prag. Sie meinte, man müsse schließlich vor Ort recherchieren. Also fuhren wir, mit einer gemeinsamen Freundin, zu dritt nach Prag und besuchten alle Schauplätze der Handlung. Zum Glück! Denn in den Reiseführern wurde vieles verheimlicht bzw. war falsch beschrieben. Teilweise musste ich einige Szenen sogar umschreiben, damit sie stimmten. Seit meinem Besuch finde ich Prag als eine der faszinierendsten Städte, und im Nachhinein bin ich froh, dass ich mich bei dem Thriller für diese Stadt entschieden habe.

Wie haben Sie das Kunststück fertig gebracht dem Haus der Fantastik, dem Festa Verlag, ein Manuskript zu verkaufen, das eben gerade keine phantastischen Züge aufweist?

Ja, das war eine riskante Sache. Frank bot mir einen Vertrag für zwei Romane an, wobei er mir punkto Handlung jeglichen Freiraum ließ. Einzige Bedingung: Die Romane sollten denselben Helden haben, sodass sich daraus eine Reihe machen ließe, und es sollte Phantastik sein. Ich zerbrach mir wochenlang den Kopf und hatte Ideen von Vampiren, Geisterjägern, Burgen, Zombies, geheimen Experimenten und verrückten Wissenschaftlern. Aber letztendlich kam ich immer wieder zu dem Schluss, dass alles, was ich gerade ausbrütete, immer so ähnlich war, wie die Reihen, die es bereits bei Blitz, Atlantis, Basilisk, Eloyed, Wurdack oder Zaubermond gab. Ich wollte nichts bringen, was es schon gab und bloß neu eingekleidet wurde. Schließlich besann ich mich auf zwei Thriller-Grundideen, die schon seit Jahren in meinem Kopf herumspukten. Freunden, denen ich davon erzählt hatte, lagen mir seitdem in den Ohren, diese Romane doch endlich einmal zu schreiben. Also formulierte ich die Handlung aus, kreierte sie um ein und dieselbe Person, und so entstand das Konzept für „Schwarze Dame“ und „Die Engelsmühle“. Ich schlug Frank das Konzept vor, er brachte sich mit einigen guten Ideen ein, und dann gab er mir grünes Licht. Wahrscheinlich hat er diese beiden Psychothriller deshalb nicht abgelehnt, weil die Handlung düster ist, es u.a. um das Serienkiller-Thema geht und auch sonst nicht gerade lustige Sachen darin passieren. „Schwarze Dame“ ist zwar keine Phantastik, aber auch nichts für zart besaitete Gemüter. Daher denke ich, dass der Roman bei Festa ganz gut aufgehoben ist.

Für 2008 ist der zweite Roman mit demselben Anti-Helden in der Hauptrolle angekündigt – worum geht es?

„Die Engelsmühle“, wieder mit Peter Hogart als Ermittler wider Willen, ist für Herbst/Winter 2008 im Festa Verlag geplant. Ich kann schon mal verraten, was auf dem Klappentext stehen wird: „Der pensionierte Rückenmarksspezialist Abel Ostrovsky wird in seiner Villa am Stadtrand Wiens brutal gefoltert und ermordet. Vor seinem Tod konnte er noch ein Videoband verstecken. Auf der Suche nach diesem Film zieht der Killer eine blutige Spur durch die Stadt. Der Versicherungsdetektiv Peter Hogart findet das Video vor dem Mörder und wird so selbst zur Zielscheibe. Allerdings ist auf dem Film nur eine neunminütige Schwarz-Weiß-Sequenz zu sehen: Der schäbige Raum eines Krankenhauses, durch den eine Frau im Rollstuhl fährt.“ Und ich kann verraten, dass es wieder ziemlich heftig wird – Peter Hogart muss sich seine Brötchen hart verdienen.

Ist eine weitere Fortsetzung angedacht?

Es ist noch kein Vertrag unterschrieben, das wäre noch zu früh. Ich habe zwar eine konkrete Idee mit Schlusspointe, aber die ist noch nicht im Detail ausformuliert.

„Schwarze Dame“ ist vom Inhalt und der Ausgestaltung her ein lupenreiner Kriminalroman und kein phantastisches Werk, selbst in „Der Judas-Schrein“ steht eine polizeiliche Ermittlung im Vordergrund, und „Jakob Rubinstein“ ist ein Privatdetektiv – wann wird man einmal wieder einen neuen, wirklich phantastischen Stoff von Ihnen lesen können?

Vor kurzem erschien „Das Eulentor“ im Blitz-Verlag. Ursprünglich war der Roman für die „Poe“-Reihe des Verlags geplant gewesen. Ich wollte einen klassischen Abenteuerstoff in der Tradition von Mary Shelley, Bram Stoker, Edgar Allan Poe und Jules Verne schreiben. Als Fan von John Carpenters „Das Ding aus einer anderen Welt“, siedelte ich die Handlung im Ewigen Eis Spitzbergens an. Wie schon bereits in „Der Judas-Schrein“ gefallen mir Szenarien, in denen die Protagonisten von der Außenwelt abgeschnitten und plötzlich auf sich allein gestellt sind. Das waren so die Eckpfeiler des Romans – und der Plot ist reine Phantastik, ziemlich düstere sogar. Nachdem ich das Manuskript beim Verlag abgegeben hatte und meine Lektorin Alisha Bionda das Buch mit ihren Test- und Korrekturlesern durch hatte, fiel plötzlich die Entscheidung, dass der Blitz Verlag eine neue Hardcover-Reihe starten wolle, und „Das Eulentor“ Teil der neuen Reihe werden sollte. Aus dem geplanten Poe-Beitrag wurde plötzlich ein Hardcover für die neue Horror-Reihe, mit drei Innenillustrationen von Mark Freier.

Könnten Sie uns ein wenig mehr verraten, worum es in „Das Eulentor“ geht?

Der Arzt Alexander Berger, der Walfänger Jan Hansen und eine Hand voll Norweger brechen im Jahr 1911 mit dem Schiff nach Spitzbergen auf, um das Land mit Hilfe einer ungenauen Skizze von Fridtjof Nansen zu kartographieren. Alles geht schief, was nur schief gehen kann. Die Expeditionsteilnehmer verschwinden im Blizzard, stürzen in Gletscherspalten, sterben an Erfrierungen, und die Ausrüstung geht verloren. Kurz vor Abbruch der Expedition entdecken die Überlebenden einen nicht von Menschenhand erschaffenen Schacht, der scheinbar endlos tief in die Erde führt. Mit Seilwinden, Gondeln und Flaschenzügen versuchen sie den Schacht zu erforschen, aber dort unten lauern Tod und Wahnsinn, von denen niemand verschont wird.

Mir fiel auf, dass Sie gerne – nun nennen wir sie einmal vom Schicksal gebeutelte Protagonisten portraitieren. Das sind von Verlusten geprägte Menschen, deren Handlungsweise eben durch ihre Historie glaubwürdig hinterfüttert wird – was reizt Sie an diesen zum Teil geschundenen, auf jeden Fall angeschlagenen Menschen?

Ich habe eine soziale Ader und fühle mich zu Außenseitern der Gesellschaft hingezogen. Auf einer Schicki-Micki-Party voller Möchtegern-Playboys und aufgetakelter Fregatten, die sich gegenseitig beweihräuchern, Küsschen-Küsschen geben und als einzige Sorge haben, ob der Prosecco-Vorrat noch bis Mitternacht reicht, kommt mir das Kotzen. Mich faszinieren Menschen mit echten Problemen, die nicht nur die Rätsel des Plots lösen müssen, sondern auch noch ihre persönlichen Problemchen haben, die logischerweise mit dem Plot verknüpft sind – sonst ist es ja nicht interessant. Das wirkt – zumindest auf mich – authentischer, plausibler und dadurch spannender. Ich zeichne aber auch gern Charaktere, denen alles gelingt, die sicher im Sattel sitzen und nichts zu befürchten haben, weil sie Geld, Macht und Einfluss im Rücken haben … aber das sind dann meist die Gegenspieler meiner Protagonisten.

Wie lange sitzen Sie an einem Werk wie „Das Eulentor“ oder „Schwarze Dame“? Müssen Sie gegebenenfalls zusammen mit dem Lektor viel abändern, oder ist der erste Entwurf in aller Regel auch der endgültige?

Die Arbeitszeit beträgt zwischen neun und zwölf Monate. Bevor der Lektor das Manuskript sieht, haben sich meine Testleser bereits durch das Buch quälen müssen. Ich habe die Idee der so genannten wise reader aus den Creative Writing Büchern von Brian Stableford und Orson Scott Card aufgegriffen. Je nachdem wie viel Zeit mir bis zum Abgabetermin bleibt, zwinge ich meine Frau und ein paar Freunde, das Manuskript zu lesen und mir ihre schonungslose Kritik um die Ohren zu hauen. Ist die Handlung plausibel? Ist der Held sympathisch? Sind die Szenen spannend? Wirkt irgendetwas übertrieben? Bleiben Fragen ungelöst? Anfangs versuche ich mein Buch naturgemäß zu verteidigen, doch lustigerweise sind sich die Testleser in fast allen Punkten einig. Nach dieser Phase der Ernüchterung, arbeite ich das Skript um, streiche hier, ergänze dort, straffe den Plot, ziehe die Fäden enger zusammen, versuche, alles stimmiger zu machen. Dann kommt der Moment, wo der Affe ins Wasser springt, und ich das Manuskript im Lektorat des Verlags abliefere. Erfreulicherweise bin ich bisher von großen Änderungen in der Handlung verschont geblieben. Die Testleser haben bereits das Meiste abgefangen und mir einen Nervenzusammenbruch erspart.

Was mich an Ihren letzten Romanen immer besonders interessierte war, dass es Ihnen gelang gerade die Unterschiede im Savoir Vivre zwischen Ihren Personen aus Wien und Umgebung und den demgegenüber hektisch, ja abgehetzt und verbissen wirkenden Deutschen zu portraitieren. Trotz aller Hingabe an ihren Beruf, scheint es, als ob unsere südlichen Nachbarn ein wenig lockerer, beschwingter durchs Leben gehen – stimmt das mit Ihren Beobachtungen überein?

Ich habe lange Zeit nicht verstanden, was die Deutschen damit meinten, wenn sie vom berühmten Wiener Schmäh sprachen. Als Wiener fällt einem das gar nicht mehr auf, es wird zur Gewohnheit. Erst wenn jemand einem den Spiegel vorhält, erkennt man, wie man eigentlich ist. Also die Österreicher, und besonders die Wiener, haben eine ziemlich lockere, nennen wir sie mal, „Geh Scheißn- und Leck mich doch am Oasch“-Art. So Sachen wie „Depperter, du kannst ma in Buckl obe rutschn“ oder „Geh, hau di über die Heisa, Gschissana“ stehen in Wien an der Tagesordnung. Wir bekommen das gar nicht mehr mit. Dazu kommt, dass der Wiener der letzte ist, der auf einen Trend aufspringt. „Obwoatn“ heißt die Devise. „Immer schen gmiatlich! Nur net hudeln, Oida“. Ob das nun tatsächlich ein beschwingt durchs Leben gehen ist, weiß ich nicht. Jedenfalls schützt es vor Magengeschwüren.

Nun sind Sie persönlich nie durch das harte Tal des Heftroman-Schreibens gegangen – warum nicht? Lag es Ihnen schlicht nicht, nach fremden Vorgaben kreativ tätig zu werden, oder könnten Sie sich einen Gastauftritt bei „Maddrax“ oder „Perry Rhodan“ vorstellen?

Mit dem „Maddrax“- oder „Rhodan“-Universum sind gewisse Erwartungshaltungen verknüpft. Ich fürchte, die „Maddrax“- oder „Perry Rhodan“-Fans wären ziemlich enttäuscht von dem, was ich da verzapfen würde. Diese Peinlichkeit erspare ich den Lesern lieber. Konkret gesprochen: Ich finde es schwierig, nach einem fremden Exposé zu schreiben, da ich so viele eigene Ideen habe, die mich ständig bedrängen und die ich loswerden muss. Immer wieder tauchen beim Schreiben solche Gedanken auf, wie „Alter, das könntest du auch noch einbauen, oder diese Szene umschreiben, damit sie viel dramatischer wird“. So wurden aus dem Manuskript für „Das Eulentor“ statt 250 Seiten eben 320 Seiten – das wäre bei einem Heftroman nicht möglich gewesen. Da arbeite ich lieber allein und kann schalten und walten wie ich will, ohne auf einen Co-Autor oder ein fremdes Exposé Rücksicht zu nehmen. Wenn es klappt, ist es schön – falls es schief geht, nehme ich die Niederlage allein auf meine Kappe.

Wie sieht die weitere Planung neuer Buchprojekte aus dem Hause Gruber aus?

Nachdem ich „Die Engelsmühle“ an den Festa Verlag abgegeben habe, ist erst Mal eine Pause angesagt, in der ich mir überlege, welches Projekt ich als nächstes gern umsetzen möchte. Einige Ideen spuken mir ja schon wieder durch den Kopf, und die Bandbreite reicht vom historischen Steampunk-Roman, über den klassischen Psychothriller bis zum Action-Abenteuer mit Horror-Elementen. Und dann ist ja immer noch ein freier Roman ausständig, mit dem ich mich bei Literaturagenturen und Großverlagen bewerben möchte.

Vielen Dank, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben. Wir wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute!


Die Website von Andreas Gruber ist hier zu finden.
 
 
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