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  Interview: Im Gespräch mit: Tobias O. Meißner
Geschrieben am Tuesday, 02.May. @ 10:42:54 CEST von Guido
 
 
  Interview Tobias O. Meißner wurde 1967 in Oberndorf am Neckar geboren. Bereits mit 2 Jahren zog er mit seinen Eltern nach Berlin, wo er heute noch lebt und wirkt. Seit Vater, ein Journalist, prägt seine Neigung zum geschriebenen Wort, mit 18 Jahren begann er das Studium der Publizistik und Theaterwissenschaften. Unser Mitarbeiter Carsten Kuhr sprach mit dem Autor, der in den letzten Monaten insbesondere bei Piper einige sehr ungewöhnliche und damit interessante Romane vorgelegt hat.

Hallo, Herr Meißner. Was macht Tobias 0. Meißner wenn er nicht an einem neuen Werk feilt, und für was steht das „O“?

Nun, seit ich für Piper „Im Zeichen des Mammuts“ schreibe, gibt es eigentlich keinen Tag mehr, an dem ich nichts zu Papier bringe. Ich feile also sozusagen nonstop. Das „O“ steht einfach nur für Oliver. Da meine erste Veröffentlichung in einer Zeit stattfand, als man noch keinen Benjamin von Stuckrad-Barre kannte, kam mein voller Name Tobias Oliver Meißner meinem damaligen Verlag schlicht und einfach zu lang vor.

1990, noch während ihrer Schulzeit, haben Sie einen kleinen Literaturclub gegründet. In dieser Zeit entstanden ihre ersten drei Bücher. In der Rückschau - war das ohne den Druck einer professionellen Veröffentlichung im Hinterkopf ein anderes Arbeiten mit dem Text?

Zuerst eine kleine Korrektur: 1990 war ich 23 Jahre alt und mit der Schule natürlich schon längst fertig. Das „Deadline Project“ bestand aus vier Studenten unterschiedlicher Fachrichtungen.
Die Arbeit war interessanterweise gar nicht so anders als heute. Schon damals experimentierten wir mit (selbstauferlegten) Deadlines und hatten festgelegte Outputs. Und auch heute noch schreibe ich – genau wie damals – ausschließlich Bücher, die ich auch tatsächlich unbedingt schreiben möchte, keine Auftragsarbeiten. Im Grunde genommen mache ich immer noch das „Deadline Project“ – nur, dass die Texte jetzt nicht fotokopiert, sondern als richtige Bücher hergestellt werden.

Die ersten Veröffentlichungen erfolgten im Rotbuch und im Rowohlt Verlag. Wie kam es zum Kontakt - ich habe etwas von einer Werbeseite statt des üblichen Vorgehens mittels Übersendung eines Manuskripts gehört?

Ja, ich dachte mir, dass mein Text in der Flut unverlangt eingesandter Manuskripte ohnehin untergeht, also habe ich lediglich einen Haufen knalliger Stichworte auf einer Seite zusammengetragen und darunter geschrieben: „All dies auf weniger als 230 Seiten. Bei Interesse Manuskript anfordern unter folgender Adresse.“ Dadurch umging ich den Status des unverlangt Eingesandtseins. Der erste Verlag, der das Manuskript anforderte, hat es dann auch veröffentlicht. (Das klingt jetzt sehr simpel, aber natürlich wurden vom Verlag mehrere externe Gutachten in Auftrag gegeben, um die Qualität des Textes zu beurteilen. Dieser ganze Begutachtungsprozess dauerte ein volles Jahr, dann wollte man mich kennen lernen, und erst dann entschied man sich zum Ankauf.)

„Das Paradies der Schwerter“, Ihr erster Fantasy Roman erschien dann aber im Eichborn Verlag. Wie kamen Sie zu dem Verlag, und warum entschlossen Sie sich trotz anfänglicher Skepsis doch es einmal mit dem Fantasy-Genre zu probieren?

Ich wechselte zu Eichborn, nachdem Rotbuch mein Hauptwerk „Hiobs Spiel“ zweimal abgelehnt hatte. Wolfgang Ferchl, der mich für Rotbuch „entdeckt“ hatte, war mittlerweile zu Eichborn gewechselt und signalisierte sein Interesse sowohl am „Hiob“ als auch an „Neverwake“ und „Todestag“, insofern fiel mir die Entscheidung zum Wechsel nicht schwer.
Das mit der Fantasy ist so eine Sache: Genau genommen habe ich mit Fantasy angefangen. Zwischen meinem siebzehnten und meinem einundzwanzigsten Lebensjahr habe ich mir anhand eines 400seitigen Fantasy-Romanfragments autodidaktisch das Romanschreiben beigebracht. Fantasy war also schon immer wichtig für mich, und mir war klar, dass ich mit einem tatsächlich bewältigbaren Projekt (das erwähnte Fragment wäre 2000 Seiten dick geworden, deshalb brach ich es rechtzeitig ab, um auch anderes schreiben zu können) zu diesem Genre zurückkehren würde. Das war dann „Das Paradies der Schwerter“.

Sie haben einmal gesagt: „Beim Lesen von Fantasy hatte ich immer das Gefühl, dass mir etwas fehlt, dass irgendetwas nicht stimmt. Vieles war sehr gestelzt, Klischee beladen oder zu weit weg.“ Was und wie wollten Sie anders machen, und ist es ihnen Ihrer eigenen Einschätzung nach gelungen?

Ich denke schon, dass es mir gelungen ist, Realismus, Unvorhersagbarkeit, politisch-gesellschaftliche Relevanz und einen Verzicht auf romantizistisch-tolkienistischen Kitsch in meine Spielart der Fantasy miteinzubringen. Aber ich bin noch lange nicht fertig. Vieles, auf das ich hinarbeite, wird erst noch kommen.

Gab oder gibt es Vorbilder - in und außerhalb der Fantasy -, und wenn ja, welche und warum?

Ich denke, dass der britische Comic-Autor Alan Moore mich am meisten beeinflusst, weil er der perfekte Schriftsteller des 21. Jahrhunderts ist: postmodern, unbegrenzt kreativ, poetisch talentiert und dennoch ohne Dünkel, sich mit „niederen“ literarischen Gattungen abzugeben.
Ansonsten bin ich ein Verehrer von Borges, Rimbaud, Baudelaire, Melville, Lovecraft, Joyce, Dostojewski, William Gibson, Charles Robert Maturin, Hans Christian Andersen, Frank Herbert, Kazuo Koike, Eiji Yoshikawa und Homer. In der Fantasy mag ich den kraftstrotzenden Depressiven R. E. Howard, den psychedelischen Moor*****, den universalbegabten Fritz Leiber und den anspruchsvollen Zeitgenossen Markolf Hoffmann.

Drei Jahre hat die Arbeit am Paradies gedauert - warum so lang, das Buch ist ja ganz im Gegensatz zu den sonstigen austauschbaren Fantasy-Epen nicht zu dick geraten? Wann und wie haben Sie geschrieben?

Ich habe vor meiner Zeit beim „Mammut“ immer drei bis vier Jahre an einem Buch gearbeitet, allerdings oft simultan an zwei Büchern, denn „Hiobs Spiel“ läuft ja seit meinem 25. Lebensjahr neben allen anderen Projekten mit.
Entstanden ist das „Paradies“ in den Jahren 1997-2000 unter dem Titel „Rakuen“ (dem japanischen Begriff für einen idyllischen Ort), weshalb ja auch im 1999 entstandenen „Neverwake“ auf einen Roman namens „Rakuen“ Bezug genommen wird.

Sie haben sich selbst als Reporter eines Geschehens bezeichnet - entwickelt sich die Geschichte selbst, wissen Sie vor Beginn eines Romans, wohin sich dieser entwickeln wird, oder überrascht Sie die Handlung manches Mal selbst?

Das ist von Projekt zu Projekt verschieden. „Das Paradies der Schwerter“ wurde ausgewürfelt. „Im Zeichen des Mammuts“ wurde als siebenjährige Rollenspielkampagne durchgetestet. „Hiobs Spiel“ wird improvisiert und schamanisiert und überrascht mich tatsächlich jedes Mal selbst. Bei „Starfish Rules“ hatte ich Masterpläne auch für das Ende, habe die Pläne aber nach jedem der vier Jahre Arbeitszeit verworfen und immer wieder neu gestaltet. „Neverwake“ wuchs von einer Novelle zu einer 2-Novellen-und-ein-Essay-Materialsammlung. Lediglich „Todestag“ war – glaube ich – von A-Z durchgeplant.

Fertigen Sie vorab einen Handlungsabriss oder ein detailliertes Exposé?

In der Regel schreibe ich einfach drauflos, aber beim „Mammut“ ist alles anders. Hier existiert ein über 200 Seiten langes Stichwortprotokoll der zugrunde liegenden Rollenspielkampagne, das ich als mit Details aufzufüllende Grundmatrix benutze. Außerdem benötigt der Verlag Exposés für Vertragunterzeichnungen und Vorschautexte.

Ihre Bücher, wir haben es schon angeschnitten, unterscheiden sich von den üblichen Fantasy-Romanen. So präsentieren Sie Ihren Lesern mehrere gleichwertige Protagonisten, bei denen man nicht weiß, welcher der Wichtigste der Handlung ist. War das eine bewusste Entscheidung, und wenn ja, warum?

Beim „Paradies“ wollte ich die Arroganz des typischen allwissenden Autors aushebeln, mich selbst zwingen, mich mit meinen Figuren vorurteilsfrei auseinanderzusetzen, sowie Klischees erschweren. Wenn selbst der Autor nicht weiß, wie alles weitergeht – wie soll es dann der Leser vorhersagen können? Dennoch gibt es natürlich ein klares, geradezu mathematisches Handlungsgerüst, denn nichts ist langweiliger als Beliebigkeit. Ich nenne das dann „regelkontrollierte Miteinbeziehung des Zufalls“.

Sie nutzen unterschiedliche Sichtweisen und damit einher gehend unterschiedliche Stile bei der Beschreibung ihrer Personen. Wo haben Sie gelernt so bewusst mit der Sprache und damit natürlich auch mit Ihren Personen umzugehen?

Im Journalismus, beim wissenschaftlichen Schreiben (von meiner Ausbildung her bin ich Kommunikationswissenschaftler), sowie beim Lesen von Lyrik und Belletristik, Trash und Hochkultur, Comics, Manga und sogar Romanheften. Ich glaube, dass ich auch viel vom Medium Film gelernt habe, und von Geschichten erzählenden Musikern wie Tom Waits oder Public Enemy.

Stimmt es, dass das Schicksal in Form von Losen wesentlich zu der Handlung im „Paradies der Schwerter“ beigetragen hat - haben Sie wirklich die Paarungen der Schwertkämpfer ausgelost?

Ja. Die Paarungen ausgelost. Die Kämpfe ausgewürfelt.

Sie haben sich intensiv mit der Rollenspielszene beschäftigt. Welche Auswirkungen hat dies auf Ihre Romane?

Rollenspiele sind ein Kreativmedium, vieles von dem, was man dort lernt und erlebt, kann man beim Schreiben von Büchern anwenden. Die Begebenheiten, so phantastisch sie auch anmuten mögen, sind dann nicht nur einfach „ausgedacht“. Sie sind erlebt worden. Ähnliches gilt übrigens auch für Computerspiele.

Wann war klar, dass das „Paradies“ nach den Weihen des Hardcovers auch bei Piper einen Platz im Taschenbuch erhält? Was bedeutete die Taschenbuch-Ausgabe für Sie als Autor, immerhin erreichen Sie mit der Taschenbuch-Edition eine deutlich größere Leserschaft?

Ich freue ich sehr über Taschenbuch-Editionen, so wie ich mich auch freue, nach Jahren des ziemlich teuren und somit leicht elitären Hardcover-Daseins mit „Im Zeichen des Mammuts“ preisgünstige Taschenbuch-Originalausgaben anbieten zu können.

Im Gegensatz zu vielen Ihrer Kollegen haben Sie keine eigene Webseite. Wie kommen Sie mit Ihren Lesern in Kontakt, ist Ihnen die Reaktion der Leser auf ihre Bücher wichtig, oder schrieben Sie in erster Linie für sich selbst?

Ich MUSS in erster Linie für mich selbst schreiben, denn ich kann mir DEN LESER, dieses völlig abstrakte - weil aus tausenden von Einzelindividuen zusammengesetzte - Wesen, nicht vorstellen und ihm etwas rechtmachen. Andererseits interessiert mich schon sehr, was die Leser von meinen Büchern halten. Unter literaturschock.de zum Beispiel gibt es Leserunden, die mein „Mammut“-Projekt und auch „Das Paradies der Schwerter“ begleiten.

Nachdem Piper das „Paradies“ erfolgreich auflegte konnten Sie einen immerhin zwölfbändigen Zyklus dort unterbringen. Wie kam es zu dem Vertrag?

Tja, sie waren an einem weiteren Fantasy-Roman aus meiner Feder interessiert. Alles, was ich ihnen aber konkret anbieten konnte, war dieser zwölfbändige Zyklus...

Um was wird es in den Dutzend Büchern gehen - können Sie uns etwas von Ihrem Gesamtkonzept verraten?

Es wird um Ökologie gehen, um die Verantwortung des Einzelnen, um Politik der Machterhaltung, um das Verschwinden der Götter, um eine Liebe, die größer ist als eine schnelle Erfüllung, um Freundschaft und um Enttäuschungen.

Wird das für die Leser nicht zu komplex?

Nicht, wenn all dies lediglich die Leitmotive einer aufregenden und wendungsreichen Abenteuerhandlung sind, in der ich auch – wie eigentlich in allen meinen Büchern – auf sorgfältig choreographierte, intensive Action sehr viel Wert lege.

Ein Freund von mir hat Ihre ersten beiden Romane von „Im Zeichen des Mammuts“ als „Greenpeace Fantasy umschrieben? Trifft das zu, oder ärgert Sie eine solche schlagwortartige Vereinfachung?

Man kann das als erste, durchaus sinnvolle Einordnung so stehen lassen, aber spannend wird, wohin sich das Greenpeace-Team entwickeln wird, wenn schon im ersten Band der green peace ganz langsam zum green war ausartet...

Wie kam es zu der interessanten Zyklenbezeichnung?

Elefanten sind sozusagen meine Wappentiere, sie tauchen in fast allen meinen Büchern irgendwie auf. In der Fantasy sind Elefanten halt Mammuts. Außerdem ist das ganze Projekt mit seinen 4000 Seiten ja nun endlich das MAMMUT-Werk, auf das ich schon mit siebzehn Jahren mit meinem damals begonnenen Fantasy-Fragment eigentlich hinauswollte, nur dass ich damals noch nicht die Fähigkeiten hatte, dies effektiv durchzuziehen. Jetzt bin ich endlich soweit.

Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben. Wir wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute.
 
 
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