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  Interview: Im Gespräch mit: Herbert W. Franke
Geschrieben am Monday, 14.May. @ 08:43:57 CEST von Guido
 
 
  Interview Herbert W. Franke, 1927 in Wien geboren, studierte Physik, Mathematik, Chemie, Psychologie und Philosophie. Er promovierte an der Universität Wien mit einem Thema aus der theoretischen Physik zum Doktor der Philosophie. Seit 1957 ist er freier Schriftsteller. 1980 wurde Franke zum Mitglied des Deutschen PEN-Clubs gewählt. Im selben Jahr wurde ihm der Berufstitel Professor verliehen. Er ist Mitglied der Grazer Autorenversammlung und erhielt zahlreiche Preise, darunter mehrere für jahresbeste Science-Fiction-Romane. Frankes faszinierende Utopien basieren auf den Erkenntnissen seiner wissenschaftlichen Arbeit. Neben Autoren wie Philip K. Dick oder Stanislaw Lem ist Franke einer der bekanntesten Science-Fiction-Autoren Europas. Seine ersten Science-Fiction-Geschichten publizierte er in den Jahren 1953 und 1954 in der Wiener Kulturzeitschrift "Neue Wege" und es folgten zahlreiche Romane zu diesem Thema. Anlässlich seines 80. Geburtstags am 14. Mai sprach unser Mitarbeiter Carsten Kuhr mit dem Autor.

Guten Tag Herr Dr. Franke. Wenn es Ihnen recht ist, gehen wir ein wenig chronologisch vor. Soweit ich das recherchieren konnte, kamen Sie bereits in der Zeit des Dritten Reichs mit phantastischer Literatur in Kontakt. Zunächst standen Romane aus der Feder P. A. Müllers alias Lok Myler oder Freder van Holk und Dominik auf dem Programm, dann aber auch verpönte Schriftstellern wie Gustav Meyrink oder Franz Kafka - das war dann ja sowohl vom Genre, als auch von der literarischen Ausarbeitung und Qualität etwas ganz anders als die Abenteuer Sun Kohs? Wie haben Sie die Zeit damals erlebt - gab es überhaupt Interessenten für diese anspruchsvolle Phantastik?

Meine Bekanntschaft mit Zukunftsromanen geht auf meine Kindheit zurück. Mein Vater empfahl mir einen Marsroman, der in Fortsetzungen in einer populären astronomischen Zeitschrift erschien. Auf der Suche nach ähnlicher Lektüre kam ich auf Dominik – wenn meine Mutter Bücher in ihrer Leihbibliothek holte, durfte ich mir einen Band von ihm – und danach auch von anderen, ähnlichen Autoren – aussuchen. Als ich alle dort vorrätigen Zukunftsromane gelesen hatte, kramte mir ein alter Bibliothekar, der es gut mit mir meinte, ein paar phantastische Romane aus den hinteren Winkeln des Archivs hervor, die von verbotenen Autoren stammten – denn inzwischen war Österreich ins Dritte Reich eingegliedert worden. In dieser Zeit kamen „Sun Koh“-Romane von P. A. Müller heraus, die ich natürlich auch gern las, bis ich darauf kam, dass es sich um eingedeutsche Zusammenfassungen einer Heftchenserie »Sun Koh – der Erbe von Atlantis« von Lok Myler handelte. Diese Heftchen waren nicht mehr im Handel, doch es gelang mir immer wieder, eines oder das andere dieser alten gelben Heftchen zu erwerben, die mit einem Anhang, einem Jiu-Jitsu Kurs, endeten. Ähnlich ging es mir etwas später mit „Karl Olaf Abelsen – Abenteuer abseits vom Alltagsweg“ von Max Schraut, eine Serie, die mich sehr beeindruckt hat und mir auch heute noch bemerkenswert erscheint.

Was fesselte Sie persönlich an „Sun Koh“, was an den unheimlichen Geschichten eines Meyrink oder Spunda? Warum wandten Sie Ihr Interesse der Phantastik und nicht zum Beispiel der Kriminalliteratur zu?

In diesen frühen Jugendjahren bestimmten meine Eltern, was ich lesen durfte. Kriminalromane waren verboten, ebenso die Heftchenliteratur – „Sun Koh“ und „Abelsen“ las ich abends mit einer Taschenlampe unter der Bettdecke. P. A. Müller war dagegen erlaubt. Was mich daran fesselte? In diesem Alter bewundert man Helden, ob es sich nun um Old Shatterhand, Sun Koh oder, in neuerer Zeit, Perry Rhodan handelt. Schon in den ersten Kriegsjahren hat sich meine Einschätzung von Helden entscheidend gewandelt. Geblieben ist aber ein anderer Reiz dieser Bücher, nämlich das, was man in der Science Fiction den „Sense of Wonder“ nennt, und diese Anmutung finden Sie in der phantastischen Literatur ebenso. Als ich mich noch als Schüler für Naturwissenschaft zu interessieren begann, störte mich an diesem Genre allerdings die Realitätsferne: Das, was so phantastisch wirkte, stellte sich dann eben als etwas Okkultes heraus. Das war auch der Grund, dass ich von Leo Perutz, den man zum Prager Kreis der Phantasten zählen kann, so beeindruckt war: Für das Phantastische, das er in seinen Büchern schildert, gibt er oft realistische Erklärungen. Und das hat mich schließlich bewogen, daraus ein Prinzip für meine eigenen Erzählungen zu machen: Ich suche das Phantastische, den „Sense of Wonder“, in den Errungenschaften der Technik und der Wissenschaft aufzuspüren und diese zur Basis wie auch zur Kulisse der geschilderten Handlung zu machen.

Nach Ende des Krieges herrschte in Deutschland auch literarisch Aufbruchstimmung. Die GIs brachten ihre Pulps mit in die Besatzungszonen - hatten Sie damals ihre erste Begegnung mit der amerikanischen Autoren wie Heiniein, A. C. Clarke, Asimov und Co?

Das war indirekt der Fall, es war ein Freund, der mich darauf aufmerksam machte, kurz nachdem ich nach dem Studium an der Universität Wien in Deutschland eine Tätigkeit in der Industrie aufnahm.

Ich habe gelesen, dass Sie schon Anfang der 50er Jahre versuchten, deutschen Verlagen entsprechende Werke schmackhaft zu machen. Für welche Romane setzten Sie sich ein, wie kamen Sie bei dem großen Fundus, aus dem Sie schöpfen konnten, auf diese Werke und wie sah die Reaktion darauf aus?

Es war Ende der 50er Jahre, eben in den ersten Jahren meines Aufenthalts in der Bundesrepublik. Und welche Romane ich im Auge hatte? Es waren jene der bekannten Autoren: Asimov, Bester, Clarke usw., aber diese nicht sehr professionellen ersten Versuche blieben ohne Erfolg.

Parallel dazu begannen Sie erstmals schriftstellerisch tätig zu werden. Haben Sie gleich beabsichtigt, diese Texte auch zu veröffentlichen, oder waren das Geschichten, die Sie in erster Linie für sich selbst schrieben?

Die ersten Geschichten schrieb ich noch als Student, einfach deshalb, weil es mir Freude machte. Da ich keine Möglichkeit der Veröffentlichung sah, hielt ich die Texte skizzenhaft kurz.

Die Frage nach Vorbildern liegt hier nahe – wen, und wichtiger noch weshalb bewunderten Sie damals - und vielleicht auch noch heute - als Autor?

In dieser Zeit kannte ich die bedeutenden englischsprachigen Science-Fiction-Autoren noch nicht. Die Vorbilder kamen eher aus der phantastischen Ecke, und mein erstes „Werk“ war eine phantastische Novelle mit dem Titel „Zurück zum dritten Leben“, und dann habe ich noch ein paar phantastische Erzählungen geschrieben. Ich merkte aber bald, dass die in diesem Genre übliche blumige Sprache meiner später bevorzugten nahe der Realität angesiedelten Thematik nicht angemessen war – aber welchen Stil sollte ich wählen? Ich beschloss dann, mich auf kein Vorbild zu stützen, sondern mich schlicht, einfach, nüchtern und schnörkellos auszudrücken – mit aller möglichen Klarheit, und wo es die Sprache bereichert, auch mit Ausdrucksweisen und Begriffen der Naturwissenschat und Technik. Und dieser Leitlinie bin ich bis heute gefolgt.

1960 erschien Ihr erstes Buch bei Goldmann - der Sammelband „Der grüne Komet“ enthielt 10 Geschichten. Haben Sie die Storys alle extra für den Band verfasst, oder fanden auch ältere Erzählungen Aufnahme? Wie kam es überhaupt zu der Publikation eines Erzählbandes – Verleger bevorzugen ja bekanntermaßen Romane ...

Sie haben sich verzählt – es waren 65 Geschichten. Wie es dazu kam? Es war eine völlig unerwartete Chance, die sich mir bot, und ich habe sie ergriffen. Noch als Student hatte ich für die Zeitschrift „Neue Wege“ – die später auch einige meiner utopischen Kurzgeschichten abdruckte – eine Reihe von Sachartikeln über zukunftsbezogene Themen geschrieben. Einige von diesen kamen 1959 im Münchener Goldmann-Verlag, heraus: in einem Buch mit dem Titel „Nichts bleibt uns als das Staunen“. Kurz danach berichtete mir Wilhelm Goldmann – eine beeindruckende Verlegerpersönlichkeit –, dass er in den USA eine in Deutschland wenig bekannte Literaturgattung mit der Bezeichnung „Science Fiction“ vorgefunden habe und eine entsprechende Reihe in Deutschland herausbringen wolle... ob ich ihm dabei helfen könnte. Natürlich stimmte ich zu, und ich machte dann das, was man später auch im Science-Fiction-Bereich als Herausgeber bezeichnete. Wir suchten acht Bücher der bekanntesten amerikanischen und englischen Autoren aus, sie sollten, begleitet mit entsprechender Pressearbeit, gleichzeitig erscheinen. Sieben Verträge wurden rasch geschlossen, nur bei einem verzögerte sich die Unterzeichnung mehrfach, und schließlich wandte sich Herr Goldmann an mich: ich hätte doch einige von mir geschriebene utopische Kurzgeschichten erwähnt, ob man diese nicht in einem achten Band veröffentlichen könnte. Ich wies darauf hin, dass es sich um sechs oder sieben Storys handelte, die jede nur zwei bis drei Seiten Umfang hätte, doch der Verleger sagte: „Na, dann schreiben Sie halt noch einige, wir brauche 180 Seiten.“. Das war hart, denn ich hatte nur zwei Wochen Zeit; aber so ein Angebot konnte ich nicht ablehnen. Ich setzte mich in ein altes ausgetrocknetes Schwimmbecken, und so, vor Wind und Besuchern geschützt, brachte ich die Geschichten zu Papier. Ich blieb dabei meiner schon mehrfach gebrauchten Kurzform treu, und so kam es, dass mein Band, „Der grüne Komet“, im Jahr 1960 mit den schon erwähnten 65 Geschichten zusammen mit den Büchern der bekanntesten Science-Fiction-Schriftsteller der Welt der Presse und den Lesern vorgestellt wurde. Diese Geschichtensammlung war ein überraschender Erfolg, und Herr Goldmann forderte mich auf, rasch ein paar Romane folgen zu lassen. So entstanden „Das Gedankennetz“, „Der Orchideenkäfig“ und noch ein paar andere.

Es folgten in den nächsten Jahren weitere SF-Taschenbücher die geprägt waren von Autoren wie Heinlein, Clarke, Pohl - Sie konnten da ja aus einem reichhaltigen Fundus schöpfen. War das nicht ein traumhaftes Arbeiten, sich quasi die Sahnestückchen heraussuchen zu können?

Völlig richtig – dieses Qualitätsniveau war einmalig und hat wohl zum Erfolg der Edition, zur zunehmenden Anerkennung des Genres SF und gewiss auch zu mehreren Science-Fiction-Projekten anderer Verlage geführt. Aber dieses Niveau ließ sich später nicht halten, außerdem verteuerte die Konkurrenz der Verlage den Erwerb der Rechte. Der Herausgeber der „Phantastischen Bibliothek“ von Suhrkamp konnte beispielsweise vieles nicht aufnehmen, weil es zu teuer war.

Gab es damals einen gerade auch im Vergleich zu später direkten Kontakt mit den Lesern? Wie haben Sie das Fandom erlebt, wie wurden Sie als Herausgeber, aber auch als Autor angenommen?

Ich habe immer Kontakt mit den Fans gehalten, und dabei war es vor allem meine Funktion als Schriftsteller und weniger die des Herausgebers, die Beachtung fand. Jedenfalls wurde ich interessiert und freundlich aufgenommen. Auch heute noch versuche ich bei wichtigen Veranstaltungen dabei zu sein.

In der Folgezeit wandten Sie sich dann auch Romanen zu. „Das Gedankennetz“ war meines Wissens ihr erster veröffentlichter Roman. Inwieweit gab es damals ein Lektorat, oder mussten Sie sich als Herausgeber quasi selbst lektorieren?

Diese Situation wäre mir nicht angenehm gewesen – doch Wilhelm Goldmann hat meine Manuskripte selbst gelesen und als gut gelungen beurteilt.

Sie sind einer der wenigen Autoren aus der damaligen Bundesrepublik, die auch in der DDR verlegt wurden. Zwei Sammelbände erschienen in der DDR - gab es da Reaktionen?

Ich bekam immer wieder Post von Lesern, die Näheres über meine Texte wissen wollten. Von ihnen erfuhr ich, dass einige meiner Arbeiten sogar abgetippt und verbreitet wurden. Auch Autoren schrieben mir oft; von mehreren konnte ich Geschichten in den von mir später zusammengestellten Storybänden aufnehmen. Weiter hatte ich mit dem Verlag Das Neue Berlin Verbindung, speziell wegen einiger Beiträge von mir für die Jahresbände „Lichtjahre“. Eine der Reaktionen, die mich besonders gefreut haben, war das Interesse des Graphikers Thomas Franke – mit dem ich übrigens nicht verwandt bin; mit seinen fein punktierten Tuschezeichnungen widmete er sich bevorzugt meinen Geschichten.

Doch die DDR war nicht die einzige Lizenzveröffentlichung, die Ihre Werk erfuhren. Stimmt es, dass Sie in der Sowjetunion einer der gefeiertsten West-Schriftsteller der auf dem Gebiet der SF waren? Gab es Kontakt zu Ihren ausländischen Verlagen und Lesern?

Mehrmals traf ich mich mit dem Lektor und Übersetzer meiner Romane, Juri Novikov, unter anderem auch in Moskau bei einer großen, der Utopie gewidmeten Veranstaltung. Die für unsere Verhältnisse riesigen Auflagen meiner Romane in der Sowjetunion fielen in die Zeit davor, als die UdSSR noch Bücher aus dem Westen übersetzen und abdrucken ließ, ohne dafür Honorare zu zahlen. Ich hörte, dass das allerdings nur wenige Science-Fiction-Autoren betraf, so dass mein Bekanntheitsgrad bei den Lesern unverhältnismäßig groß war – und ist. Die Auflagen sollen innerhalb weniger Tage ausverkauft gewesen sein. Übrigens werden in Kürze wieder zwei Romane in Russland erscheinen. Die Tatsache, dass die Bücher seinerzeit in der Sowjetunion aufgelegt wurden, hat vermutlich dazu beigetragen, dass es in der DDR keine Schwierigkeiten für ihre Veröffentlichung gab. Ich staune aber auch heute noch darüber, dass gegen meinen in einem Überwachungsstaat spielenden Roman „Ypsilon minus“ keine Bedenken bestanden.

In Ihren Werken taucht als immer wiederkehrendes Thema die Beeinflussung der Menschen auf. Beruht dies auf Ihrer persönlichen Historie als Jugendlicher im Nazi-Regime? Wie haben Sie die Nazi-Zeit erlebt – manche ewig Gestrigen loben die Gemeinschaft und Kameradschaft der Hitlerjugend, aber die Gängelung durch die Partei, die Manipulation der Massen durch Göbbels Propagandamaschine war doch wohl die Kehrseite?

Unerträglich waren und sind Kameradschaft auf Befehl, bedingungsloser Gehorsam, endloses Marschieren und Singen von Liedern, vormilitärische Ausbildung beim Turnunterricht und beim so genannten Jungvolk, Verbote eigenständigen Handelns unter dem Motto: „Das Denken überlassen Sie den Pferden, die haben größere Köpfe“. Nur ein Beispiel zum Begriff „Gemeinschaft“. Angeblich um das Gemeinschaftsgefühl kleinerer Gruppen zu stärken, wurde eine besondere Art der Bestrafung praktiziert: Ließ sich ein einzelner etwas zu Schulden kommen, dann wurde prinzipiell die ganze Gruppe bestraft, beispielsweise eine „Stubengemeinschaft“. Diese raffiniert-fatale Methode führte aber dazu, dass der Übeltäter in der Gemeinschaft zum Außenseiter wurde, dem die anderen die Strafen zu verdanken hatten. Von den Vorgesetzen wurde wohlwollend in Kauf genommen, wenn diese dann in der Nacht verprügelt oder auf andere Weise malträtiert wurden. Es war ein Mittel, um auch bei Gesinnungsgegnern Gehorsam zu erreichen – ein Phänomen, das sich der Vorstellung der heutigen Generation entzieht. Von der Hitlerjugend habe ich weniger mitbekommen, da gab es Kriegshilfsdienst, Einberufung als Flakhelfer, später zum Arbeitsdienst. Nur im kleinsten Kreis von Freunden durfte man offen reden, aber gerade wir Jungen sind auf die Propaganda nicht hineingefallen. Dieses Gefühl der totalen Unterdrückung und der Wehrlosigkeit, das wir damals empfanden, ist dann in vielen meiner Texte zum Ausdruck gekommen.

Später wechselten Sie als Herausgeber von Goldmann über Kindler zu Heyne - was war Auslöser dieses doch Aufsehen erregenden Neuanfangs beim direkten Konkurrenten?

Bei Goldmann kamen nur noch Taschenbücher heraus, die als solche damals und wohl auch heute noch nicht in Zeitschriften rezensiert und daher nahezu unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit veröffentlicht wurden – die Fans nun einmal abgesehen. Als mir der Verleger Helmut Kindler einen Vertrag für ein gebundenes Buch anbot, habe ich diese Gelegenheit ergriffen. Ich schrieb die „Zone Null“, die sehr positiv aufgenommen wurde. Allerdings kam das Buch dann in einer von Wolfgang Jeschke herausgegeben Paperbackreihe heraus, und wieder kam kein gebundenes Buch in den Handel. Das hat mich sehr enttäuscht, und als mir Franz Rottensteiner anbot, mich künftig in der „Phantastischen Bibliothek“ von Suhrkamp zu verlegen, stimmte ich sofort zu. Ich habe mir allerdings ausbedungen, auch für andere Verlage arbeiten zu dürfen. Dagegen gab es merkwürdigerweise keine Einwände. Es war mir sehr angenehm, nicht mehr mein eigener Herausgeber zu sein.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Wolfgang Jeschke - und wie haben Sie ihre Tätigkeiten koordiniert? Wer war für was zuständig - gab es hier regelmäßige Treffen an denen Sie sich ausgetauscht haben?

In der Tat: Das geschah ein paar Jahre lang beim Heyne-Verlag, wo ich als Herausgeber fungieren sollte, und Wolfgang Jeschke sollte die Redaktion leiten. Ich wurde gefragt, ob ich einverstanden sei, wenn er gemeinsam mit mir als Herausgeber fungieren würde, und ich hatte nichts dagegen einzuwenden, sondern freute mich über die Zusammenarbeit mit einem der kompetentesten Kenner des Genres. Er betreute vor allem die Romanreihe. Ab 1974 stellte ich abwechselnd mit ihm monatlich erscheinende Kurzgeschichtenbände unter der Bezeichnung „SF-Reader“ zusammen, wobei ich versuchte, auch nicht englisch schreibende Autoren zu berücksichtigen. Und weiter erfüllte ich mir den Wunsch, den Lesern auch die visuelle Seite der Science vorzustellen, verkörpert durch die Maler und Graphiker, die sich mit phantastisch-utopischen Themen beschäftigten. Darunter waren Thomas Franke und H. R. Giger.

Ihre Bücher erschienen aber in der Folgezeit weder bei Goldmann noch bei Heyne sondern bei Suhrkamp - warum dies? Hatten Sie überhaupt genügend Zeit und Muße um zu schreiben?

Im Gegensatz zu Wolfgang Jeschke, der auch die Redaktionsarbeit zu leisten hatte, blieb mir genügend Zeit, um zu schreiben, wobei mir zugute kommt, dass ich sehr rasch arbeite. Etwas später ging ich noch einmal einige Zeit zu Goldmann, wo ich die Reihe „Science Fiction International“ herausgab, und dann folgte ab 1985 eine ähnliche Reihe mit dem Namen „Kontinuum“ bei Ullstein.

Wie und wo schreiben Sie? Ziehen Sie sich wie viele Ihrer Kollegen ganz von Ihrer Umwelt zurück, wenn Sie in Klausur für ein neues Buch gehen, entwerfen Sie ein detailliertes Script, oder lassen Sie sich von der Handlung leiten?

Ich ziehe mich nicht gerade zurück, versuche aber doch, das Manuskript ungestört durch andere Arbeiten in einem Zug fertig zu stellen. Ein grobes Konzept lag mir immer vor, aber oft bekommt die Handlung eine unerwartete Dynamik, und dann kann es vorkommen, dass sie anders verläuft, als ich es mir vorgestellt hatte. Das ist ein sehr interessantes Erlebnis – man ist dann irgendwie am Geschehen beteiligt. Und wie ich schreibe? Die ersten Stoffe schrieb ich mit der Hand und ließ die Manuskripte abtippen, dann merkte ich, dass ich schneller weiterkomme, wenn ich den Text diktiere – was allerdings noch höhere Konzentration beim Arbeiten erfordert.

Wo finden Sie Ihre Themen, woher nehmen Sie ihre Ideen – wandeln Sie hier ein wenig auf Spuren eines Jules Verne, der sich bekanntermaßen von wissenschaftlichen Fachzeitschriften und Forschungsergebnissen leiten ließ?

Meist ziehe ich eine eigene Sammlung von Notizen zurate – ich stoße oft auf wissenschaftlich oder technisch ausgerichtete Themen. Viele davon lassen sich mit Konfliktsituationen in Verbindung bringen, die sich in Form von Erzählungen konkretisieren lassen, und solche eignen sich eben für echte Science Fiction. Die Menge meiner Notizen hat inzwischen so zugenommen, dass ich sicher nur den kleinsten Teil davon realisieren können werde.

Gerüchteweise habe ich auch gehört, dass Sie mit der SF Edition des Ullstein Verlages noch vor der von Ihnen ausgewählten und betreuten „Ozeanischen Bibliothek“ verbunden waren - stimmt dies?

Das war 1984. Ich hatte mit Ullstein Verbindung, da ich dort ein Jahr zuvor eine naturwissenschaftliche Buchreihe herausgegeben hatte.

Stichwort „Ozeanische Bibliothek“ - Autoren wie Kasack oder Capek waren ja kaum bekannt. Wie kamen Sie auf die Titel, waren die Bücher, die ein wenig abseits der ausgetretenen und erfolg versprechenden Pfade lagen beim Verlag leicht zu platzieren?

Dagegen hatte der Verlag nichts einzuwenden. Für mich lag ja gerade das Interessante daran, dass ich meiner Meinung nach bemerkenswerte Romane wenig bekannter Autoren vorstellen durfte. Leider sind gerade solche meist pessimistisch orientiert, was mir die Kritik übel genommen hat. Sie richtete sich auch auf meine Auswahl, dieser oder jener Band hätte nicht unbedingt aufgenommen werden müssen, aber es war natürlich nicht bekannt, dass es Bedingung war, beim Verlag liegende Rechte wieder zu verwerten. Und außerdem standen noch ein paar Titel auf meiner Liste, deren Recht leider nicht erhältlich oder einfach zu teuer waren.

Künstliche Intelligenzen faszinieren Sie. Sie haben hier ja auch wissenschaftliche Abhandlungen und Werke verfasst. Wie sehen Sie die aktuelle Entwicklung - hat die Realität die Phantasie nicht schon bald eingeholt, ja in Teilbereichen schon überholt?

Es kommt darauf an, wie weit man sich mit seinen Erzählungen in die Zukunft vorwagt. Es gibt manches, was ich richtig vorhergesehen habe, aber auch anderes, was sich erst in Tausendes von Jahren verwirklichen könnte. Die künstliche Intelligenz ist eine der spannendsten Zukunftsentwicklungen. Und im Gegensatz zu den Aliens-Phantasien oder auch den der Logik widersprechenden Zeitreisen halte ich die meisten auf digitalen Systeme beruhenden Utopien für realisierbar. Als ich schon lange vor Gibson virtuelle Welten beschrieb, forderten mich Kritiker auf, nicht so weit ins Phantastische abzuschweifen, sondern eher auf die bevorstehende Raumschifffahrt und die Begegnungen mit Aliens einzugehen. Diese Themen ermöglichen aufregende Geschichten, werden aber für den Menschen kaum Bedeutung gewinnen. Dagegen werden wir ernste Probleme zu lösen haben, wenn sich neben der menschlichen eine andere Form der Intelligenz bemerkbar macht: eben jene, die wir durch die Entwicklung der digitalen Rechensysteme selbst auf den Weg gebracht haben.

Neben Ihrer schriftstellerischen Tätigkeit waren Sie auch auf anderen Gebieten kreativ tätig. Ihre Computergraphiken erfreuen sich großen Interesses und Anerkennung. Sind Sie hier heute noch aktiv?

Ja. Ich gehöre zu den wenigen, die Arbeiten aus allen Jahren seit den Anfängen der Computerkunst um 1965 herum vorzuweisen haben. Meine umfangreiche Sammlung, die die ganze Entwicklung, technisch, kunsthistorisch und persönlich, dokumentiert, ist kürzlich in den Besitz der Bremer Kunsthalle übergegangen und wird im Juni erstmals ausgestellt.

Ein weiteres Feld, in dem Sie sich ausgezeichnet haben ist die Höhlenforschung - gehen Sie noch unter die Erde? Erinnert oder inspiriert Sie die Welt ohne direktes Sonnenlicht an den Weltraum?

Zur ersten Frage: nicht mehr so oft, und nicht mehr so tief. Doch im Zusammenhang mit meinem Hinweis im Jahr 2000, dass es umfangreiche und große Höhlen auf dem Mars geben müsse, habe ich in letzter Zeit Lavahöhlen besucht, darunter die zweitgrößte der Erde in Hawaii. Und in der Sahara ist mir noch vor zwei Jahren im Zusammenhang mit der Erforschung ausgedehnter Höhlenruinen der Abstieg in eine 20 Meter unter der Oberfläche liegende Karsthöhle gelungen. Meine Erfahrungen aus Hawaii und aus der Wüste – tagelange Fahrten mit dem Geländewagen und Biwaks im Sand – haben mir im Übrigen die Basis für meinen letzten Roman, „Flucht zum Mars“ bei dtv, geliefert.

Ihre Werke wurden so manches Mal als zu intellektuell kritisiert. Provokativ gefragt, sind Sie ein Autor für eine kleine Elite, oder doch ein Mensch, der seine Message immer unterhaltsam zu verpacken weiß - so zumindest empfinde ich Ihre Bücher?

Ich habe mir ein eigenes literarisches Konstrukt überlegt: Ich versuche gewissermaßen vordergründig eine spannende Handlung anzubieten, doch das geschieht vor dem Hintergrund künftiger möglicher Situationen, aus denen sich die Konflikte zwischen den Protagonisten ergeben. Im Prinzip kann man den Text also als spannende Geschichte lesen, doch wenn man ein wenig darüber nachdenkt, stößt man auf die Problematik, die dahinter streckt. Viele Leser haben mir bestätigt, dass es ihnen so ergangen ist, und manche haben dann das betreffende Buch ein zweites Mal gelesen. Aber klar – so etwas kann nicht immer gelingen, und es kommt natürlich auch darauf an, wofür sich der Leser interessiert.

Neben Ihrer literarischen Tätigkeit sind Sie Wissenschaftler, sind im PEN Club Deutschland tätig - wie bringen Sie all ihre Aktivitäten unter einen Hut?

Diese Möglichkeit, sich mit vielen verschiedenen interessanten Wissensgebieten zu beschäftigen, also nach Belieben von einem zum anderen zu wechseln, ist für mich sehr wichtig. Das geht nicht, wenn man in der Zwangsjacke industrieller oder auch edukativer Institutionen steckt. Die Antwort ist einfach: Ich habe mich selbstständig gemacht und kann mir meine Zeit einteilen, wie ich will.

Nach einer längeren Pause erschien 2004 mit „Sphinx 2“ endlich ein neues Werk von Ihnen - wieder einmal in einem neuen Verlag. Warum die Pause, und was führte Sie in den Hafen des dtv?

Vielleicht haben Sie schon von gewissen Problemen gelesen, die den Suhrkamp-Verlag schon seit Jahren in Unruhe versetzen. Nach dem Weggang des Herausgebers der phantastischen Reihe, Franz Rottensteiner, waren die dort gegebenen Möglichkeiten stark eingeschränkt. Schon vorher hat der Begründer der Reihe, der Verleger Gottfried Honnefelder, den Verlag verlassen.

Es folgten „Cyber City Süd“, und nun, zu Ihrem runden 80. Geburtstag machen Sie sich und Ihren Fans das Geschenk mit „Flucht zum Mars“. Mir fällt auf, dass Sie Ihr Augenmerk immer auf Schicksale legen, dass Sie immer zutiefst humanistische Grundsätze vertreten und damit im Gegensatz zu den momentan so angesagten Military-SF-Reihen stehen. Wie schätzen Sie diese ein - ist da schnell geschriebenes Lesefutter ohne Gewicht, gibt es gerade in unserer heutigen schnelllebigen Zeit einen Markt für durchaus nachdenklich machende Bücher der Zukunft?

Ich habe leider nur wenig Zeit zu lesen, und da suche ich mir die Bücher sehr sorgfältig aus. Military-SF ist nicht darunter. Einen Markt für nachdenklich stimmende Bücher über künftige Entwicklungen im Spannungsfeld von Wissenschaft, Technik, Mensch und Gesellschaft wird es immer geben, aber ebenso sicher wird ein Großteil der Leser die reine Unterhaltung ohne Tiefgang vorziehen.

Können Sie unseren Lesern ein wenig von „Flucht zum Mars“ verraten?

Ich will eigentlich nicht mehr verraten, als im Klappentext beschrieben ist: Eine Gruppe von acht Personen wird zu einem virtuellen Erlebnisspiel eingeladen, in dem es eine fiktive Aufgabe auf dem Mars zu lösen gibt. Das ist allerdings nur ein Vorwand – die Teilnehmer kommen bald darauf, dass irgendetwas nicht stimmt. So stellt sich heraus, dass sie sich in Wirklichkeit auf dem Mars befinden, und fast noch schwerer wiegt die Erkenntnis, dass sie alle zu den Nichtangepassten, den Entarteten gehören, die sich auf der Erde etwas zu Schulden kommen ließen. Erst nach und nach erkennen sie die Gründe für all diese Merkwürdigkeiten, die schwerwiegende Bedrohung, die der Anlass für diese Expedition ist und die kleine Gruppe vor Probleme stellt, die sich gar nicht lösen lassen – jedenfalls nicht so, wie sie es die Beteiligten, und vielleicht auch die Leser, erwartet und erhofft hatten.

Was bedeutet SF für Sie - auch eine Chance, nein eine Verpflichtung zur Warnung vor Gefahren?

Das sicher auch: zur Warnung vor Gefahren, die unüberlegtes Handeln im Feld von Technik und Gesellschaft nach sich zieht, insbesondere vor schwerwiegenden Fehlern bei zukunftsbezogenen Entscheidungen . Ich möchte allerdings noch etwas hervorheben, was nur selten erwähnt wird, mir aber wichtig erscheint: dass nämlich Science Fiction auch ein Teil der Literatur ist, und noch dazu ein solcher, der zu neuen Motiven und Ausdrucksformen leitet. Eigentlich ist der „Sense of Wonder“ etwas, was für jede Art von Literatur erstrebenswert wäre, aber hier, im Niemandsland der Zukunft, gibt es ein bevorzugtes Reservat dafür.

Vielen Dank, dass Sie sich für unsere Leser Zeit genommen haben. Wir wünschen Ihnen alles Gute.

Herbert W. Frankes Homepage ist hier zu finden.
 
 
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