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  Interview: Im Gespräch mit: Frank Schweizer
Geschrieben am Monday, 09.April. @ 11:23:19 CEST von Guido
 
 
  Interview Frank Schweizer (geb. 1969) studierte Philosophie und Germanistik in Stuttgart. Nach seiner Promotion über den österreichischen Autor Adalbert Stifter arbeitete er in einer Comicredaktion. Seit 2003 ist er in Stuttgart freier Autor. Daneben unterrichtet er an verschiedenen Lehranstalten Deutsch als Fremdsprache, Literatur und Philosophie und war auch schon als Lektor tätig. Er hat verschiedene Bücher über Philosophie verfasst und veröffentlichte wissenschaftliche Aufsätze und Gedichte in verschiedenen Zeitschriften. Bei Otherworld erscheint in Kürze sein Fantasy-Roman „Grendl“. Unser Mitarbeiter Erik Schreiber hat sich mit Frank Schweizer unterhalten

Hallo Frank, vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, mir ein paar Antworten auf meine Fragen zu geben. Kannst du dich bitte einmal kurz selbst vorstellen?

Ja sehr gerne. Ich komme aus Geislingen, einer kleinen Stadt am Rande der schwäbischen Alb. In Stuttgart, wo ich lebe, habe ich studiert und zwar Philosophie und Germanistik und habe ungefähr zur gleichen Zeit wie mein Buchheld Max Merkur dort die Prüfungen abgelegt. Nach meinem Studium habe ich dann in der Redaktion eines Comicverlages gearbeitet. Leider ging der Verlag Pleite (sie hätten nur meine Idee eines philosophischen Comics aufgreifen müssen wie „Nietzsche und Struppi“ oder „Fix und Foxys lustige Diskussion über den kategorischen Imperativ“ dann würde der Laden heute noch brummen). Danach begann ich als freier Autor zu arbeiten und schrieb mein erstes Buch „Wie Philosophen sterben“. Ich sammelte dazu die Sterbeberichte von Philosophen und hatte am Ende ein Buch mit einer ganzen Menge amüsanter Geschichten: Der eine Philosoph lachte sich über einen Witz tot, der andere hüpfte in einen Vulkan, um vorzutäuschen er wäre gen Himmel gefahren, ein dritter wurde von seinen Schülern mit Schreibfedern erstochen, weil er nach deren Meinung nur Unsinn geschrieben hatte. Viel von dem Hintergrundwissen, dass ich mit „Wie Philosophen sterben“ erworben habe, ist auch in „Grendl“ eingeflossen. Vor allem bemerkte ich, dass man der Philosophie eine komische Seite abgewinnen kann. Durch das Buch wurde dann der Lektor des Reclam-Verlages auf mich aufmerksam. Ich schrieb „Nur einer hat mich verstanden“, eine Philosophenanekdoten-Sammlung für Reclam und im Herbst folgt die Geschichtsanekdotensammlung „Ich stelle fest, ich bin einzig“. Bei meinen Recherchen über die Philosophen habe ich so viel schräges Material gefunden, dass ich mir dachte, man könnte damit durchaus einen Roman machen. Aber damit ich nicht nur beim Bücherschreiben hinter dem Schreibtisch sitze und mit Leuten zusammen komme, habe ich von Anfang an meines Autoren-Daseins auch an verschiedenen Lehranstalten unterrichtet.

Wie bist du auf die Idee und den Namen Max Merkur gekommen?

Für mich ist „Max Merkur“ ein klassischer, geradezu altmodischer Namen für einen Helden, gewissermaßen ein „Flash Gordon“ der Philosophie. Während Flash Gordon gegen seine Gegner mit Fäusten kämpft, setzt Max Merkur seinen Kopf ein. Auch die Anspielung auf den römischen Gott Merkur ist nicht zufällig. Merkur ist in der römischen Mythologie der Götterbote, er führt auch die jüngst verstorbenen Seelen in die Totenwelt. So gesehen ist dieser Gott ein Wanderer zwischen den Welten und auch Max Merkur wechselt zwischen Erde, Hölle und Schellings Souvenirshop hin und her, Joachim Jupiter oder Nikolaus Neptun statt Max Merkur wäre nicht passend gewesen.

Gibst du zu, Max Merkur zu sein und die Welt bereits gerettet zu haben?

Mit der Weltrettung hapert es noch ein bisschen, aber ich kann eine Glühbirne wechseln, wenn sie kaputt ist, das zählt nicht oder? Max Merkur muss einiges Grausames durchmachen, die Apokalypse, den Verlust seiner Magisterurkunde, die Warterei nach dem Weltende und so weiter; schwer zu sagen, ob ich genauso wie er in einer ähnlichen Extremsituation reagieren würde. Außerdem verändert er sich durch seine Erfahrungen im Buch, ich könnte mich mit dem Max Merkur, so wie er am Schluss ist, identifizieren. Zudem würde ich Folgendes zu bedenken geben: Wenn ich mir das Verhältnis zwischen Autor und seiner Figur überlege, bringe ich beim Schreiben meine Figur ständig in Notsituationen. Als Autor habe ich ein sadistisches Verhältnis zu meinem Helden, ich könnte ihn ja auch sich verlieben lassen, aber stattdessen schicke ich ihn in die Hölle. Das ließe, glaube ich, tief blicken, wenn ich mich selbst für Max Merkur halten würde.

Du bist selbst Philosoph, na ja, du hast es zumindest studiert, Bücher dazu geschrieben und bist Lehrkraft. Hast du dir das Leben wirklich so vorgestellt?

Puh, schwere Frage … Die Philosophie ist bestimmt nicht so weltfremd, wie man glauben würde. Sie hilft einem, das Leben aus einem logischen Blickwinkel zu sehen und Gefühle zu meistern. Mein Philosophieprofessor hat immer betont, dass er keine Angst hat, nachts auf einem Friedhof zu gehen, weil ihm die Vernunft sagt, es gibt keine Geister. Die Philosophie als Lehre der Vernunft ist bei Alltagsproblemen enorm nützlich, weil sie immer die logische Lösung zum Beispiel einer Streitsituation aufzeigt; man beurteilt sich und andere viel klarer und nüchterner, wenn man erst einmal Kants „Kritik der reinen Vernunft“ durchgelesen und verstanden hat.

Und wer steckt hinter Lutherion VI.? Und wer sind die anderen fünf Vorgänger, klappte das mit der Welt retten erst beim sechsten Mal?

Es gibt kein direktes Vorbild für Lutherion VI. Was aus Lutherion I.-V. geworden ist, das ist eine lange Geschichte, die sich um das Feuer-Volleyballteam der Hölle und neun Freikarten zum „Satanischen Tiergarten“ dreht, darüber will ich lieber ein anderes Mal erzählen.

Ist Lutherion VI. ein evangelischer Teufel, wie ich es in der Buchbesprechung vermute?

Teufel, Engel und ein Ave Maria Himmelshafen, im Jenseits scheint es katholisch zuzugehen. Dass Lutherion evangelisch ist, glaube ich weniger. Er ist Teufel durch und durch und daher zumindest mythologisch gesehen ein hochkatholisches Wesen. Er hat aber einige Abenteuer zusammen mit Max Merkur erlebt. Lutherion verändert sich im Laufe des Buches und hat am Ende der Geschichte eine spirituelle Erfahrung, als er versucht die Hölle zu retten. Für eine kurze Zeit ist er ein gläubiger Teufel, vielleicht ist das die Höllenversion des Wortes „evangelisch“.

Ich halte Philosophen eigentlich für nicht religiös, da sie auf Vernunft setzen. So sehe ich das zumindest. Warum kommt also ein Magister der Philosophie ohne Probleme mit einem Wesen, das aus der Religion entstand, fast ohne Probleme aus? Es ist doch nicht vernünftig. Es ist religiös, auch wenn es den Gegenpart des Guten darstellt.

Das ist zuerst die normative Kraft des Faktischen oder einfach gesagt, da Lutherion vor Max Merkur steht und offensichtlich ein Teufel ist, wäre es unvernünftig an etwas zu zweifeln, was nicht wegzuleugnen ist. Lutherion sagt einmal, er brauche nicht an Engel zu glauben, denn die sind für ihn Realität und noch dazu eine lästige; ähnlich geht es auch Max Merkur im Bezug auf die Teufel. Für Max Merkur ist Vernunft etwas, wonach er das Handeln von jemand beurteilt und nicht wie er eine Person als solche betrachtet. Ob der Teufel vernünftig oder unvernünftig handelt, ist für Max Merkur entscheidend.

Nehmen wir an, Max Merkur sei eine real bestehende Person. Wie kann ein Philosoph mit einer aus der Religion geborenen, nicht existenten Person wie Lutherion, ein Abenteuer erleben? Das wäre so ähnlich wie mein Freund Harry, der ausgedachte Freund.

Aus dieser Frage winde ich mich am besten heraus ;-), da es keine logische Antwort darauf gibt… Nun da Max Merkur nach dem Weltuntergang technisch gesehen und auch praktisch gesehen tot ist, ist er im gewissen Sinne genauso nicht-existent wie Lutherion. Ich denke, ihre Nicht-Existenz schweißt sie zusammen und erlaubt ihnen, Abenteuer zu erleben.

Wie kamst du zu den manchmal recht seltsamen Gestalten, die das Buch bevölkern? Standen sie von vornherein fest oder entwickelten sie sich erst mit der Erzählung? Ich denke da zum Beispiel an die beiden Dickhäuter, die Personen mit dem Elefantenkopf und dem Nashornkopf.

Ich habe mir vor dem Schreiben des Buches einen groben Plan zurechtlegt, was darin passieren sollte; vor allem die Hauptfiguren, die Philosophen und die gefährlichen Monster wie den Höllenhund habe ich versucht, mir im Voraus zu überlegen. Aber ich wollte mir selbst Gelegenheit lassen, beim Schreiben zu improvisieren und kreativ sein zu können. Der Elefanten- und der Nashornkopf sind ein gutes Beispiel für Figuren, die kreiert wurden, als ich meiner Fantasie freien Lauf ließ und ich war oft beim Erzählen selbst gespannt, was sie wohl als nächstes sagen oder tun würden. So entstanden Figuren, die nicht immer den gleichen Mustern folgen und die man nicht in anderen Fantasy-Romanen findet. Fantasy hat, wie der Namen schon sagt, mit Fantasie zu tun, ich wollte diese auch benutzen. Ganz ausschöpfend erklären kann man die Entstehung der Figuren nicht; man würde ja einen Jazzmusiker, der bei einem Solo improvisiert, auch nicht fragen, warum er ausgerechnet die Note gespielt hat und keine andere. Jener würde dann vielleicht höchstens sagen, es erschien ihm irgendwie „logisch“, dass er die Melodie spielt

Warum betonst du bei den Räumlichkeiten in der Hölle, dass es dreieckige Räume sind? Meine erste gedankliche Verbindung war, dass sich alles in einem geschliffenen Diamanten abspielt.

Die Hölle hat ihre eigenen Ordnungsprinzipien und die Teufel finden andere Dinge schön wie Engel oder Menschen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in der Hölle Kreise eine wichtige Rolle spielen, die wären langweilig perfekt. Die Teufel bevorzugen etwas mit Ecken und Kanten, etwas woran man sich stoßen und pieksen kann, Formen also mit etwas mehr „Kick“.

Ich gehe davon aus, dass du einen begehbaren Kühlschrank hast, oder wieso ist dieser plötzlich ein Transportmittel?

Naja, ähnlich alltägliche Dinge wurden schon öfter zu Reisen durch Raum und Zeit verwendet: Der Wandschrank bei Narnia, die Telefonzelle bei Doctor Who oder der Spiegel bei Alice im Wunderland. Ein Kühlschrank bietet eben den Vorteil, dass man gleich ein Brötchen und einen Saft hat, wenn man mal weiter weg will.

Du bist sehr ironisch und lässt verschiedene Seitenhiebe auf Werbung, Konsum und Kaufgewohnheiten auf den Leser los.

Da muss ich leicht predigend werden: Die Konsumwelt hat sich erstickend ausgebreitet: Schaltet man den Fernseher ein, wird man mit Werbung bombardiert, im Kino muss ich eine halbe Stunde Produktinformationen über mich ergehen lassen, bevor ich einen Film sehen kann, und das Telefon klingelt immer öfter wegen irgendwelchen kümmerlichen Gestalten, die denken, es macht mich selig, wenn ich eine Zeitschrift abonniere. Da musste ich auch mal ein paar Seitenhiebe auf die Konsumgesellschaft loswerden, die glaubt, ein neuer Kartoffelchips-Knuspermix wäre die ultimative Form des Glücks.

Warum heißt das Buch „Grendl“? Der Drache kommt doch erst nach über der Hälfte des Buches zum ersten Mal vor.

„Grendl“ schien mir als Titel aus mehreren Gründen geeignet, unter anderem weil er ja hinter der ganzen Handlung die Fäden zieht; wie Lutherion richtig vermutet, steckt er hinter der Handytechnologie, mit dem langfristigen Plan in die Hölle zurückzukehren. Er mischt also unsichtbar mit und ist auch in den Kapiteln, in denen er nicht vorkommt, dabei.

Welche literarischen Vorlieben hast du?

Privat lese ich eher abseitige Literatur. Ich mag Bücher, die in Vergessenheit geraten sind, Bücher aus dem Mittelalter oder aus dem alten Rom, die heute kein Mensch mehr lesen will, die mir aber gerade gefallen, weil sie so anders sind. Ich lese auch selten was in Deutsch, meistens nur lateinische Bücher … habe ich erwähnt, dass ich ein bisschen seltsam bin? Nun gut, es sei hiermit erwähnt.

Welche literarischen Einflüsse siehst du selbst bei „Grendl“?

Viele, natürlich. Ich wollte mit „Grendl“ etwas Neues schreiben, was nicht immer die Wiederholung dessen ist, was man zur Genüge kennt, etwas, was ich selbst gerne lesen würde und auch Überraschungen bietet. Auf der anderen Seite macht es mir Spaß, auf andere Bücher anzuspielen, zum Beispiel auf das wichtigste deutsche Fantasy-Werk, Goethes „Faust“, wo ja auch der Held zusammen mit einem Teufel den Sinn des Lebens sucht. Bei Autoren wie Terry Pratchett, Douglas Adams oder Tolkien kann man eine Menge lernen, sicherlich haben mich auch diese beeinflusst.

Welche Projekte nimmst du zu Zeit in Angriff?

Zurzeit bin ich mit etwas ganz anderem als mit Fantasy beschäftigt. Ich beende gerade ein Manuskript über die Geschichte des Essens, bei dem es darum geht, warum wir was, wie, wo essen. Warum essen wir ein hartes Frühstücksei gerade am Morgen, wie brät man Fleisch am besten; aber auch Charles Darwin ist enthalten, der in einem Gourmet-Club war, dessen Mitglieder sich zum Ziel gesetzt hatten, möglichst viele exotische Tiere zu essen. Das erinnerte mich ein bisschen an den logischen Konsumismus der Teufelsphilosophen, die durch Essen Erlösung suchen. Bei einem seiner Reisen hatte Darwin übrigens Pech, denn er musste feststellen, dass er gerade einen sehr seltenen Vogel, nach dem er lange gesucht hatte, schon zur Hälfte verspeist hatte, bevor er das bemerkte. Das Buch über Geschichten und Infos rund ums Essen macht mir gerade sehr viel Spaß. Wenn es allerdings genug geneigte Leser von „Grendl“ gibt, kehre ich auch gern in die Hölle zurück, um die Abenteuer von Max Merkur fortzusetzen, mal schauen….

Vielen Dank für deine geduldigen Antworten und ich wünsche dir noch viel Erfolg mit deinen weiteren Projekten.


Erik Schreibers Rezension zu Frank Schweizers „Grendl“ ist hier zu finden.
 
 
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