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Interview: Im Gespräch mit: Michael Nagula
Geschrieben am Tuesday, 31.October. @ 13:54:32 CET von Guido |
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Michael Nagula, Jahrgang 1959, arbeitet als Autor, Herausgeber und
Übersetzter. Im von Eckhard Schwettmann geführten Interview berichtet er von
seinen Anfängen in der SF-Szene, über seine Tätigkeit als Herausgeber bis zu
seinen Arbeiten für die Condor-Superhelden-Comics und seiner Mitarbeit bei
der größten Science Fiction-Serie der Welt, "Perry Rhodan".
Wann hattest Du das erste Mal Kontakt mit "Perry Rhodan"? Erinnerst Du
Dich noch an den ersten Roman, den Du gelesen hast?
Das allererste Mal ...? So genau weiß ich das gar nicht mehr. Ich muss
damals so fünf oder sechs gewesen sein und lebte noch in Hohenlimburg, heute
ein Stadtteil von Hagen. Der Nachbarssohn, Jörg Glosnek, war schon einige
Jährchen älter als ich und hatte eine Sammlung von "Perry Rhodan"-Heften. Er
bastelte auch Raumschiffmodelle und hatte eine ganze Planetenlandschaft
einschließlich Sternenhimmel geschaffen, mit wunderbar schummriger
Beleuchtung ... ich stand oft staunend davor. Als ich dann nach der ersten
Klasse mit meinen Eltern in den Frankfurter Raum zog, weil mein Vater dort
eine neue Arbeit bekommen hatte, schenkte er mir seine gesamte Sammlung. Ich
habe sie zwar noch ein paar Mal zur Hand genommen, vermutlich aus Sehnsucht
nach meinem Freund, und war ganz fasziniert von den herrlichen Covern, aber
wenn ich reinlas, konnte ich damit nichts anfangen. Das muss so 1965 oder
1966 gewesen sein, und ich war ja auch noch ein richtiger Wicht ...
Aber das Ganze hatte sich mir tief eingeprägt. Als einige Jahre später die
dritte Auflage von "Perry Rhodan" startete, schaltete meine innere Ampel auf
Grün. Ich entdeckte "Unternehmen Stardust" bei meinem Stamm-Comic-Dealer und
war sofort hin und weg. Kaufen, nach Hause rennen und Durchschmökern war
eins! Ich kann mich heute noch an dieses ganz besondere Gefühl erinnern,
eine neue Welt entdeckt zu haben, nicht einfach nur das "Perryversum",
sondern eine völlig neue Dimension des Denkens. Es war für mich körperlich
spürbar, eine grenzenlose Welt, die sich in alle Richtungen erstreckte - und
die nach stark holzhaltigem Papier roch!
Ich bin dann gleich zum Laden zurückgehechtet und habe mein ganzes
Taschengeld und einiges Ersparte für all die anderen Moewig-SF-Titel auf den
Kopf gehauen, die in der Woche erschienen. "Die Parabank" von William Voltz
(Band 598) war natürlich ein perfekter Einstieg in die Erstauflage, und in
der Zweitauflage war es irgendein Band in den 370ern, glaube ich, der mir
allerdings nicht viel brachte. "Atlan" war dann wieder absolut genial...
Band 77, wenn ich mich richtig erinnere, auch von Willi. Und mein erstes
Taschenbuch, "Das unsichtbare Netz" von H.G. Ewers, fand ich zwar nicht
gerade atemberaubend, aber doch sehr unterhaltsam... und mein erster "Terra
Astra" war dann gleich ein "Orion"-Nachdruck mit Cliff McLane auf dem
Cover. - Natürlich hatte ich begeistert die Fernsehserie gesehen!
Das alles hat sich mir damals förmlich eingebrannt. Comics gehörten damit
erst mal der Vergangenheit an. Auf Jahre hinaus hatte ich nur noch Science
Fiction im Sinn - sehr zum Leidwesen meiner Freunde und Klassenkameraden,
die nichts anderes mehr von mir zu hören bekamen ... aber sie haben es
eigentlich alle voll akzeptiert, weil ich so dahinter stand ...
Du hast dann selber mit dem Schreiben begonnen, und William Voltz hat
Deine erste Geschichte veröffentlicht. Wie ergab sich das?
Na ja, am Anfang standen eigentlich Psi-Experimente. Das war damals DAS
Thema in den Medien und auch auf der Leserseite, so bis Mitte der siebziger
Jahre. Es war die große Zeit von Uri Geller und Erich von Däniken, und weil
ich mich darüber und ganz allgemein über grenzwissenschaftliche Themen
austauschen wollte, schickte ich Willi eine Kontaktanzeige, die er auch
tatsächlich auf der LKS veröffentlichte. Darauf haben sich eine ganze Menge
Leser gemeldet, und schon steckte ich in einer gewaltigen Korrespondenz.
Bald gab es keinen Tag mehr, an dem ich nicht einen längeren Brief
geschrieben oder bekommen hätte.
Eines Nachts hatte ich dann einen - heute würde man sagen - pubertären
Angsttraum von einem Gorilla, der die Hauswand hochklettert und zu mir ins
Zimmer steigt. Ich wachte auf und schrieb in einem Rutsch meine erste
Kurzgeschichte über einen Mutanten mit drei Armen... der dritte wuchs ihm
aus der Brust heraus. Die habe ich dann auf meiner Schreibmaschine
abgetippt, die ich meiner Mutter stibitzt hatte (sie hatte damals gerade
Maschineschreiben gelernt), und an den Verlag geschickt. Ich glaube, an den
"Perry"-Comic unter der Redaktion von Dirk Hess. Er wird sie wohl bekommen
haben, konnte sie aber nicht verwenden, und natürlich hatte ich keine Kopie
zurückbehalten, so dass dieser erste Versuch leider für immer verloren
gegangen ist ...
Aber ich schrieb dann weitere Geschichten, die ich meistens in Fanzines
unterbrachte, und gründete schließlich mein erstes eigenes Fanzine: "Think
Over". Das schickte ich natürlich auch Willi, der prompt meinen Leitartikel
über Fantasy und Science Fiction auf der "Atlan"-Leserseite nachdruckte. Das
war meine erste Veröffentlichung im professionellen Umfeld.
Ich begann dann mehr Artikel als Kurzgeschichten zu schreiben und auch meine
Schulaufsätze auf diese Thematik auszurichten. Eine große Hausarbeit von mir
über die Geschichte der Astronomie erschien zum Beispiel anschließend als
vierteilige Artikelserie auf der LKS. Dafür gab's dann vom Verlag stolze 80
DM. Einen Durchschlag der Bitte von Willi an Kurt Bernhardt, mir das Honorar
anzuweisen, habe ich heute noch und hege und pflege ihn.
Jedenfalls habe ich so gemerkt, dass man mit dem Schreiben auch Geld
verdienen kann, und mein Taschengeld reichte ja hinten und vorne nicht, um
die vielen spannenden SF-Titel zu finanzieren, die ständig herauskamen.
Deshalb schrieb ich immer mehr Artikel über alles Mögliche, was mich
beschäftigte ... zur Rhodan-Thematik, aber auch allgemein philosophisch und
naturwissenschaftlich. Irgendwann begann ich mich telefonisch mit Willi
abzusprechen, woran er denn interessiert und was gewünscht sei, genau, wie
später mit Günter M. Schelwokat für "Terra Astra", Horst Hoffmann für
"Orion" und Ernst Vlcek für "Mythor", und dazu gab es noch den "Report" und das
"Perry Rhodan-SF-Magazin", und in der Fünftauflage erschienen auch noch
gelegentlich Sachartikel als Lückenbüßer, falls der Roman einmal zu kurz
geraten war. Während der Hochzeit hatte allein Willi sieben Leserseiten
wöchentlich zu füllen...
Es gab also tatsächlich die Möglichkeit, sich durch Artikel einen
bescheidenen Lebensunterhalt zu verdienen, und als ich von Zuhause auszog,
finanzierte ich mir dadurch anfangs sogar meine Miete ...
Du hattest damals ja auch einen Fanclub gegründet. Wie hieß der und was
habt Ihr da so gemacht?
Das lief damals alles parallel, die Artikel und meine Tätigkeit im Fandom
... Die erste Ausgabe von "Think Over" war bei allen sehr gut angekommen,
und ich lud jeden Belieferten und potenziell Interessenten, meine Mitschüler
und sogar einige Lehrer ein, bei uns im neuen Club mitzumachen. Der hieß
anfangs "para II", woraus dann bald die Fantasy & Science Fiction
Interessengemeinschaft "para II" wurde, die sich schließlich "Interfan"
nannte. Das erste Ehrenmitglied war natürlich Willi Voltz, und zu den bald
über sechzig Mitgliedern zählten angehende Profis wie Horst Hoffmann, Roland
Rosenbauer, Manfred Weinland, Gregor S. Iljuschin, hinter dem sich kein
anderer als Werner Kurt Giesa verbarg, der holländische Literaturagent
Robert Zielschot, der heutige "Perry Rhodan"-Daten-Spezialist Michael J.
Thiesen und Heiner Högel, einer der ersten Risszeichner der zweiten
Generation.
Die Hauptbeschäftigung des Clubs bestand eigentlich im Austausch und der
Weitergabe von Informationen. Deshalb trat auch an die Stelle von "Think
Over" nach drei Ausgaben das "Informations- und Kommunikationsorgan
Colloquium, das es bis zur Doppelnummer 16/17 brachte und immer so um die
fünfzig einzeilige Seiten Umfang hatte. Auch eine Menge Prosa wurde darin
veröffentlicht, aber gleichzeitig erschien nach dem Vorbild von Werners
"terrapress"-Heften, bei denen ich fleißig mitwerkelte, eine eigene SF-Reihe
namens "Extorris", die ich teils selber schrieb und teils nach kurzen
"Exposés" schreiben ließ. Das waren alles zwanzigseitige Hefte im
DinA-5-Format, im Spiritus-Karbon-Umdruck gedruckt, soll heißen: Die
mehrfarbig betippten so genannten "Matrizen" wurden auf der Maschine im
Lehrerzimmer stinkend und unter der Vorgabe, es geschähe für Schulzwecke,
bis zu achtzigmal durchgenudelt, worauf dann regelmäßig Orgien des
Zusammenlegens, Heftens und Klebebandanlegens folgten ...
Ach ja, daneben gab es mit "Sellerie" noch eine kleine Heftreihe mit
satirischer Fantastik. Dort schrieb ich etwa über Dracula junior, und
Manfred verfasste das Tagebuch eines Gottes. Manfred, der damals schon eine
sehr poetische Sprache hatte, gestaltete 1978, als unsere Fan-Zeit sich dem
Ende zuneigte, übrigens auch noch eine wunderschöne Sonderausgabe von
"Colloquium" mit fotokopiertem Cover, die er "Traummond" nannte - im
Untertitel: "Magazin für lyrische Prosa", mit Beiträgen von Roland, Manfred,
Wolfgang Borchard, Kai Riedemann, meiner Wenigkeit und vielen anderen mehr
... Dieses Fanzine wurde damals von der MAM-Koalition herausgeben, das waren
Manfred, unser Freund Alexandro Laue und ich.
Wenn ich heute an diese Zeit zurückdenke, bin ich doch sehr erstaunt über
das enorme Potenzial, das damals entfesselt wurde, diese überschwängliche
Kreativität. Für den harten Kern der Mitglieder war das mit einem fließenden
Übergang zur Professionalität verbunden. Manfred und ich schrieben gemeinsam
unseren ersten SF-Roman, den ich Günter M. Schelwokat überarbeitet
zuschickte. Der lehnte ihn zwar ab, aber auf sein Ablehnungsschreiben vom
13. Juni 1977, das ich gut aufgehoben habe, bin ich heute noch stolz: "Wenn
Sie mich demnächst anrufen, erläutere ich Ihnen gerne die Gründe für die
Ablehnung, zumal ich Sie für einen Autor halte, den ,aufzubauen' sich lohnen
würde." Ich war damals siebzehn. Das ging mir natürlich runter wie Sahne,
und in der Folge verfasste ich auch einige "Terra Astra", die anstandslos
angenommen wurden, ohne dass ich je eines der gefürchteten Donnerwetter des
Lektors erlebt hätte ...
Über Alexandros Mutter, die Krankengymnastin war, lernte ich ungefähr zur
gleichen Zeit ein weiteres Vorbild von mir persönlich kennen, den an den
Rollstuhl gefesselten Jürgen Grasmück, der als Jay Grams und Jürgen Grasse
SF veröffentlicht hatte, aber besser bekannt war als Dan Shocker. Er hatte
das Grusel-Krimi-Genre erfunden und schrieb die heute legendären Heftserien
"Larry Brent" und "Macabros". Seine spannende Erzählweise und sein Lebensmut
beeindruckten mich zutiefst. Über seine Agentur verkauften Roland, Manfred,
Werner, Alex und ich schon kurz darauf unsere ersten Grusel-Manuskripte.
Während ich unter Maik Caroon bei Zauberkreis im "Silber-Grusel-Krimi"
veröffentlichte, setzte er Manfred und Roland bei "Damona King" und im
"Gespenster-Krimi" ein, und Werner geriet recht bald an die Serie "Professor
Zamorra", deren Geschicke er jetzt schon seit langer Zeit als Chefautor
lenkt ...
Du hast dann auch angefangen, Übersetzungen anzufertigen. Wie kam es
dazu?
Ich war ja schon längst nicht mehr nur an "Perry Rhodan", sondern an
jeglicher Science Fiction interessiert, die herauskam. Ich verfolgte alle
kleineren und großen Reihen in Deutschland und besuchte seit Mitte der
Siebzigerjahre auch regelmäßig die Frankfurter Buchmesse, redete immer
wieder mit Autoren, Redakteuren und Herausgebern.
Beim Lesen von Heyne-Büchern (entweder bei "Hellstroems Brut" von Frank
Herbert oder "Herr des Lichts" von Roger Zelazny, zwei unsterblichen
SF-Meisterwerken!) war mir irgendwann aufgefallen, dass die ausländischen
Bücher ja auch einen deutschen "Autor" haben, der jedes Wort und jedes Komma
"geschrieben" hatte. Das faszinierte mich, zumal die fremde Sprache für mich
eine sehr konkrete Bedeutung hat. Mein Vater war Ungar und hat zeit seines
Lebens nie richtig Deutsch gelernt, und ich meinerseits kann bis heute
gerade das nötigste Ungarisch, um Einkäufe zu erledigen. Wenn wir uns bei
ungarischen Freunden und Verwandten aufhielten, oder in Ungarn selbst, wo
ich noch heute eine große Familie habe, wurde ich mir immer schmerzlich der
Grenzen bewusst, die die andere Sprache dem eigenen Verständnis auferlegt
...
Ich nehme also an, dass ich deshalb anfing, die eine oder andere kleine
Sache aus dem Englischen zu übersetzen, um mir klarzumachen, ob man diese
Hürden sprachlich überhaupt nehmen kann. (Warum einfach, wenn es auch
kompliziert geht? Ich hätte ja auch besser Ungarisch lernen können ...)
Meine ersten Vorlagen stammten aus Schulbüchern, wobei mir mein sehr guter
Englisch-Unterricht durch Michael Gonszar nicht nur eine Hilfe, sondern auch
ein gewaltiger Ansporn war. So lasen wir in der achten Klasse bereits
"Dubliners" von James Joyce, einen Autor, der mir bis heute viel bedeutet,
und ich erfuhr dabei enorm viel über Irland, das heute noch - neben Ungarn
und Indien - mein Lieblingsland ist. Es war also nicht zuletzt dem Einfluss
Michaels zu verdanken, mit dem ich auch nach der Schulzeit noch eine Weile
Kontakt hatte und der in Frankfurt lange Jahre eine englischsprachige
Theatergruppe leitete, dass ich mich schließlich bei den SF-Verlagen als
Übersetzer bewarb.
Deine ersten Übersetzungen hast du für Ullstein angefertigt, nicht wahr?
Dort hast du dann auch Anthologien zusammengestellt.
Nicht ganz, meine erste Anlaufstelle war der Heyne-Verlag, wo bis 1973
unter Günter M. Schelwokat und anschließend dann unter Wolfgang Jeschke die
beste und interessanteste SF in deutschen Landen herauskam. Aber dorthin zog
es alle SF-interessierten Übersetzer, auch erfahrenere als mich, und so
reichte es gerade einmal für fünf oder sechs Kurzgeschichten, die unter
anderem im "Magazine of Fantasy & Science Fiction" und in "Isaac Asimov's
Science Fiction Magazine" erschienen. Allerdings durfte ich Jahre später
doch einige Bücher für Heyne übersetzen, darunter einen "Blade
Runner"-Roman, in dem die Handlung des Kino-Klassikers fortgesetzt wurde. Und abermals
später wurde ich dann sogar aufgefordert, zwei Romane von Philip K. Dick zu
übersetzen, meinem absoluten SF-Lieblingsautor!
Immerhin führte der Kontakt mit Wolfgang Jeschke bei Heyne seinerzeit dazu,
dass ich eine große Anzahl Nachworte für einige Klassiker der SF verfasste,
von Olaf Stapledon über Daniel Keyes, Rudy Rucker und Christopher Priest bis
zu William Gibson und Bruce Sterling. Außerdem gab mir Jeschke die
Möglichkeit, zwei Anthologien herauszugeben, eine Bestandsaufnahme der
ostdeutschen SF, Fenster ins Licht, damals die Erste ihrer Art überhaupt,
und einen richtig fetten Sammelband mit neuen Erzählungen und Artikeln zum
Thema Cyberpunk. "Atomic Avenue" gilt heute - worauf ich ungeheuer stolz
bin - neben dem Buch "Spiegelschatten" von Bruce Sterling zumindest in
Deutschland als Klassiker dieses Genres.
Bei Heyne kam ich als Übersetzer also erst später zum Zuge, aber ich hatte
mich ja nicht nur dort beworben, sondern auch bei Walter Spiegl, dem
langjährigen Herausgeber der ersten SF-Reihe bei Ullstein. Ich wusste damals
noch nicht, was für ein Urgestein der deutschen SF-Historie er war, dass er
gemeinsam mit Clark Darlton die Pionierzeit der deutschen SF verkörperte ...
als Übersetzer für die "Utopia"-Großbände, als Mitbegründer des Science
Fiction Club Deutschland, als einer der Autoren der ersten deutschen
SF-Serie "Jim Parker", die Jahre vor "Perry Rhodan" gestartet war, und als
Herausgeber unzähliger Magazine ...
Auf der Frankfurter Buchmesse 1978 ließ ich mich jedenfalls dem Herausgeber
von Ullstein SF vorstellen und erklärte, ich könne übersetzen. Er schickte
mir tatsächlich einige amerikanische Magazine, deren beste Stories ich
heraussuchen und übertragen sollte. Das Ergebnis gefiel ihm immerhin so gut,
dass er mich weiter beschäftigte, und ich durfte Stories von Spitzenautoren
wie Robert Silberberg, Philip José Farmer, J. G. Ballard, Roger Zelazny
übersetzen, auch die erste Story der heutigen Top-Frau auf dem SF-Gebiet,
Nancy Kress, und einen ersten Roman. Er hatte auch nichts dagegen, dass ich
die Storybände - die abwechselnd zu den Romanen erschienen - zunehmend als
Spielwiese für eigene Ideen benutzte.
Kurz vorher hatte ich, gemeinsam mit Alexandro Laue, eine kleine
literarische Agentur namens M.E.R.L.I.N. gegründet, die ich jetzt in
Eigenregie führte. Einige Kurzgeschichten und Artikel hatten wir schon
vermitteln können, und nun forderte ich - in Absprache mit Walter Spiegl -
Freunde aus dem Fandom und meinem sonstigen Bekanntenkreis auf, für die
Ullstein-Bände, die ich mittlerweile in Spiegls Auftrag zusammenstellte, als
Übersetzer tätig zu werden. So entstanden die ersten Übersetzungen von
Roland Rosenbauer, Manfred Weinland und Günter Zettl, aber auch von
Mitschülern und Freunden wie Jörg Peters, Bettina Eisenächer oder Manfred
Riepe, heute ein bekannter Filmkritiker. Ich führte umfangreiche Nachworte
zur Geschichte der Science Fiction ein und stellte schließlich auch eine
erste Sammlung mit SF-Stories deutschsprachiger Autoren zusammen,
größtenteils Erstveröffentlichungen, von Spitzenleuten wie Reinmar Cunis,
Gerd Maximovic, Uwe Anton, H. W. Springer, Irmtraud Kremp und Ulrich Weise.
Als zwei Monate später die nächste von mir betreute übersetzte Anthologie
herauskam, erfuhr ich, weshalb Walter Spiegl mir diese Spielwiese immer
stärker überlassen hatte. Die Reihe hatte kurz vor dem Aus gestanden, und da
freut man sich bekanntlich immer über frisches Blut und neue Ideen. Jetzt
wurde "Ullstein 2000" definitiv eingestellt. Walter Spiegl ließ mich quasi
als Abschiedsgeschenk noch zwei "Ullstein Kriminalmagazine" betreuen, aber
damit war meine Zeit in diesem Verlag vorerst zu Ende, obwohl ich jetzt
wieder für Ullstein arbeite.
Drei Jahre später erschien noch eine von mir ursprünglich für Spiegls Reihe
zusammengestellte Anthologie mit amerikanischen Stories in der damals neu
gestarteten Ullstein-SF-Reihe, betreut von Martin Compart. - Ich werde
Walter Spiegl immer dankbar sein für die Möglichkeiten, die er mir geboten
hat, so viel auf diesem Gebiet ausprobieren und lernen zu können.
Du hast noch für andere Verlage als Herausgeber und Übersetzer
gearbeitet, allen voran Luchterhand. Seitdem eilt Dir der Ruf voraus, ein
großer Kenner der SF-Literatur zu sein.
Ja, dabei hatte ich erst eine Weile damit geliebäugelt, wieder verstärkt
Heftromane zu schreiben. Aber ich hatte den Abwechslungsreichtum schon zu
sehr schätzen gelernt. Meine Ullstein-Arbeit war eine Fortführung all dessen
gewesen, was ich damals im Fandom gemacht hatte, nur dass ich dafür bezahlt
worden war - gigantisch: Das Hobby war zum Beruf geworden! Aber dafür war
ich jetzt, als Nestflüchter und Student, auch auf ein stetiges Einkommen in
einigermaßen gleich bleibender Höhe angewiesen. Außerdem hatte mich das
Übersetzungsfieber gepackt. Es ist nämlich ein ganz besonderes Erlebnis,
sich auf immer neue Sprachstile einzustellen und sie so zu transportieren,
dass der deutsche Leser seine Freude daran hat.
Ich hatte damals auch mit Michael Görden Kontakt, dem SF-Lektor des
Bastei-Verlags, der unter anderem "Die Terranauten" betreute, und stand auf
der Warteliste der neuen Autoren für diese großartige und viel zu kurzlebige
Heftserie. Als sie eingestellt wurde, gab mir Görden Übersetzungsaufträge,
kleine Juwelen wie Arthur C. Clarke, A. E. van Vogt und Samuel R. Delany.
Später übersetzte ich bei Bastei noch für die Redakteure Helmut Pesch und
Reinhard Rhon, arbeitete aber auch schon für einige andere Verlage, nicht
zuletzt für Pabel - wobei ich auf meine Übersetzungen für Luchterhand,
Haffmans und die Frankfurter Verlagsanstalt, Verlage, die hohes Ansehen in
der Literaturszene genossen, heute besonders stolz bin.
Bei Luchterhand hatte ich auch wieder Gelegenheit, in Personalunion
Anthologien zusammenzustellen, zu übersetzen und mit Sachbeiträgen
auszustatten - als einer von drei SF-Beratern des Lektors Wieland
Eschenhagen, dem außer mir noch Karl Michael Armer und René Oth
zuarbeiteten. Dabei stellte ich als deutsche Originalausgaben drei
Erzählungssammlungen von Philip K. Dick, Christopher Priest und George Alec
Effinger zusammen, weltweit exklusive Bände aus dem noch unübersetzten
Kurzgeschichtenwerk, und eine Sammlung erotischer Zukunftsgeschichten, die
Karl Michael Armer und ich unabhängig voneinander vorgeschlagen hatten,
weshalb wir sie gemeinsam zusammenstellten.
Ein weiteres Prunkstück war für mich die erste Originalsammlung ostdeutscher
SF im Westen, die ich kurz vor dem Mauerfall noch bei Luchterhand
unterbringen konnte. Sie sollte eigentlich ein Gegenstück in der DDR
erhalten. Das fertige Manuskript von "Andromeda im Brombeerstrauch" mit
"Science Fiction aus der BRD und Österreich" lag auch schon bei der
Herstellungsleitung des ostdeutschen Verlags Neues Berlin, als von Lektor
Erik Simon bearbeitetes "Grafikerexemplar". Es enthielt Beiträge von
Jeschke, Franke, Amery, Armer, Ziegler, Hasselblatt und einigen anderen
Autoren der obersten SF-Liga, aber durch die historischen Ereignisse vom 9.
November 1989 kam es nicht mehr zur Veröffentlichung. Als Simon mir das
Manuskript zur Entlastung zurückschickte, trug es den Vermerk, dass es am
29. Juni 1990 hatte erscheinen sollen.
Aber wie sagte der von mir sehr verehrte Michail Gorbatschow doch einmal so
schön: "Wer zuletzt kommt, den bestraft das Leben." Der Freiheitsdrang war
zum Glück schneller gewesen.
Welches sind Deine Lieblingsromane? Was hat Dich am meisten beeinflusst?
Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, muss ich sagen, dass ich mich
meiner bisherigen Arbeit eigentlich sehr glücklich schätzen kann. Meine
Lieblinge sind doch vorwiegend die, die ich als Übersetzer, Herausgeber oder
durch Nachworte dem deutschen Leser auch nahe brachte. Darüber hinaus
schätze ich besonders das Frauen-Tryptichon Ursula K. LeGuin, James Tiptree
jr., Marion Zimmer Bradley, aber auch John Crowley und Kurt Vonnegut,
Klassiker wie Cordwainer Smith, Henry Kuttner, Jack Vance, Robert Sheckley,
vom Erzählerischen her auch Robert A. Heinlein, natürlich Stanislaw Lem, die
Russen Arkadij und Boris Strugazki sowie Adam Wisniewski-Snerg, an Deutschen
den leider jüngst verstorbenen Carl Amery sowie Karl Michael Armer, Wolfgang
Jeschke, Thomas R. P. Mielke, Gisbert Haefs und Andreas Eschbach.
Bei meinen - wie ich nun seit einigen Jahren sagen darf - Kollegen von
"Perry Rhodan" muss ich an erster Stelle William Voltz nennen, der mich auch
durch seine unglaublich kreative Persönlichkeit und immer freundliche Art
tief beeindruckte, dann Clark Darlton und K.H. Scheer sowie Ernst Vlcek,
Hans Kneifel, Peter Terrid, Thomas Ziegler und Uwe Anton.
Es gibt so unendlich viele gute Science Fiction, dass ich meine Lieblinge
hier gar nicht alle aufzählen kann. Es hängt auch immer von der jeweiligen
Situation ab. In der entsprechenden nostalgischen Stimmung sind mir auch C.
J. Cherryhs Space Operas und die Mars-Abenteuer von Stanley G. Weinbaum und
Edgar Rice Burroughs ein Hochgenuss.
Sie alle haben mich natürlich beeinflusst, weil eine bestimmte Sprache, eine
bestimmte Szene oder ein bestimmter Plot einem einfach vor Augen bleibt -
auch wenn man das dann für die eigene Arbeit eher meidet als nutzt, weil das
Vorbild ohnehin unerreichbar ist. Zumal es beim Schreiben am Wichtigsten
ist, seinen ganz persönlichen Ausdruck zu finden ...
Du hast ja »nebenbei« auch mehr als 30.000 Comicseiten übersetzt, u.a.
für Carlsen und Ehapa, Marvel-Ausgaben des Condor-Verlags, "Micky Maus" und
"Lustiges Taschenbuch", dazu die "Star Wars"-Comics bei Dino. Für viele
Comic-Fans wäre das ein Traumjob. Wie kamst Du dazu?
Ich hatte ja als Comic-Fan angefangen, bevor "Perry Rhodan" und ganz
allgemein die Science Fiction mich in Beschlag genommen hatten. Davor hatte
ich alles rauf und runter gelesen, was nach Bildgeschichten aussah. Mitte
der Achtzigerjahre entdeckte ich dann in Frankfurt einen Comic-Shop und
konnte erstmals Marvel und DC im Original lesen. Zu der Zeit war die
Comic-Szene in den USA gerade im Umbruch. Autoren und Zeichner definierten
die Superhelden neu: John Byrne machte "Fantastic Four" und "Superman",
Frank Miller "Dark Knight" und "Daredevil", George Perez "Wonder Woman",
Walt Simonson "The Mighty Thor", die Wunderkinder Todd McFarlane, Erik
Larsen und Jim Lee sorgten für Aufsehen und gründeten die
Verlags-Kooperative Image ... und Disney brachte noch eigene Comics heraus
und produzierte selber. Heute überlassen sie das Feld nach langen Jahren
"Entenflaute" ja einem sehr rührigen Kleinverlag, der seine Rechte wie alle
Lizenznehmer in Dänemark einkaufen muss ...
Kurzum, ich gab mich voll und ganz meinen alten Kindheits-Vorlieben hin.
US-Comics waren für mich ein Hobby, ein Ausgleich zum ständigen Lesen
längerer Texte. Aber in einem Comic-Shop kommt man recht schnell ins
Plaudern, und wie es der Zufall wollte, geriet ich dort an Klaus Strzyz, der
gerade im Begriff war, als Redakteur von Condor zu Ehapa zu wechseln. Er
suchte langfristig einen Nachfolger, und auf seinen Vorschlag hin versuchte
ich mich an ersten Taschenbuch-Übersetzungen von "Spider-Man" und "Fantastic
Four". Das Ergebnis bezeichnete er sehr freundlich als "shakespearesk", denn
dadurch, dass ich versucht hatte, den ursprünglichen Inhalt auf das kleine
Blasenformat einzudampfen, hatte ich grauslich durch knallharten Imperfekt
verknappt, wo etwas sprachliche Eleganz im Perfekt angesagt gewesen wäre.
Aber ich hatte ja diesbezüglich ohnehin keine größeren Ambitionen. Ich ging
erst mal für ein halbes Jahr nach England, wo ich am Eton und Rugby College
als German Assistent Teacher tätig wurde, und als ich zurückkam - war Klaus
noch immer an einer Zusammenarbeit interessiert!
Ich übersetzte weiter für ihn, gemeinsam texteten wir einige Carlsen-Comics
wie "Jerry Spring", "Andy Morgan" und "Valhardi", und da ich mich in einem
neuen beruflichen Umfeld immer schnell und gut orientiere, heuerte ich bald
als Übersetzer "anspruchsvoller" Comics und Bildbände von Corben bis
Frazetta bei Achim Schnurrer an, der damals "U-Comix" und "Schwermetall"
herausbrachte und auch Mitinhaber des Verlags Kunst der Comics war. Heute
produziert Achim ja seit einiger Jahren sehr erfolgreich die "Perry
Rhodan"-Hörbücher...
Im Hintergrund machte ich weiter Buchübersetzungen und stellte gelegentlich
eine Anthologie zusammen, als es im Juli 1987 dann ernst wurde. Wolfgang
Biehler, der Besitzer des Condor-Verlags, der früher auch viele SF-Autoren
vertreten und etwa Manfred Wegener und H. G. Francis bei "Ren Dhark"
untergebracht hatte, war einverstanden, dass ich Klaus' Nachfolger wurde,
und so leitete ich die nächsten neun Jahre lang redaktionell und als
deutscher "Textfinder" die Geschicke des Marvel-Superheldenprogramms von
Condor-Interpart.
Ein Jahr später bewarb ich mich auch bei Ehapa, wo ich als Erstes einen
"Dick Tracy"-Bildband von Kyle Baker redigierte, bevor ich ins "Ententeam"
aufgenommen wurde. Klaus hatte ohne mein Wissen ein gutes Wort für mich bei
der legendären Redakteurin Dorit Kinkel eingelegt, die von meiner Arbeit
wohl recht angetan war und mich ihrerseits weiterempfahl, an die
"Mickyvision" und das "Lustige Taschenbuch" ... Fünfzehn Jahre ist das
mittlerweile her, und in dieser Zeit habe ich viele hundert Disney-Comics
übersetzt, nicht gerechnet einige schöne Sonderobjekte für andere Verlage
wie einen "Neuromancer"-Comic, den Dreiteiler "Der Kleine Hobbit" und einen
"Rolling Stones"-Bildband, den ich als wahres Happening übersetzte, mit
etlichen Bieren und Kippenpäckchen (damals war ich noch heftiger Raucher)
und lautem "Emotional Rescue" in den Ohren. Sehr viel Freude machten mir
außerdem die "Star Trek"-Alben erst bei Feest unter dem Pseudonym Digit-P3
(nach meinem dritten PC), und später bei Dino, für die ich seit 1999 auch
begeistert "Star Wars" übersetze, die Monatshefte, Alben und Bildbände.
Ich habe immer versucht, so viel Spaß wie möglich an der Arbeit zu haben,
und das halte ich auch für sehr wichtig. Der Leser merkt es, wenn bei etwas
die Inspiration fehlt.
Ich stelle mir das nicht so einfach vor, die relativ kurzen Comic-Texte
dramaturgisch gut und dennoch knapp zu übersetzen. Worauf muss man dabei
achten?
Beim Roman und Sachbuch wird "einfach" übersetzt, was im Original steht,
und der deutsche Textumfang spielt weiter keine Rolle. Vorbei die Zeiten, wo
man eine Übersetzung verlängern oder kürzen musste, um den vorgegebenen
Umfang zu erreichen; das hatte ich bei Pabel noch erlebt. Beim Comic stellt
sich vielmehr das Problem, dass der deutsche Text in Sprechblasen eingesetzt
werden muss, was von den Verlagen ganz unterschiedlich gehandhabt wird.
Condor beispielsweise hat vorwiegend Taschenbücher produziert, die
durchschnittlich sieben US-Hefte enthielten. Auch die Sprechblasen wurden
dabei entsprechend verkleinert, so dass der Originaltext notgedrungen nur
noch sinngemäß übertragen werden konnte. Bei Autoren wie Chris Claremont,
dem legendären "X-Men"-Texter, stieß das schnell an die Grenzen der
Verständlichkeit. Er benutzt so viele und so kleine Sprechblasen, dass sich
die deutschen Dialoge oft auf ein "Da, echt, ach so, schau an, nun ja"
reduzierten - reiner Sachzwang, für den ich aber böse Briefe erhielt, die
ich als Leserbriefonkel ja auch noch beantwortete.
Zum Glück gab es für mich den Ausgleich bei Disney. Hier muss man sich vor
allem an der Entenhausener Welt orientieren, die unsere "Grande Dame" Erika
Fuchs ins Leben rief. Sie schuf nicht nur so geniale Namen wie Onkel
Dagobert und Tick, Trick und Track, sondern verlegte die amerikanische
Handlung auch in eine eigentlich sehr spießbürgerliche Welt, durchsetzt mit
humanistischem Bildungsgut. Die daraus erwachsende Atmosphäre eines
Deutschlands der fünfziger Jahre strahlt heute eine gewisse Nostalgie aus.
Ein Disney-Übersetzer muss diese Welt aber praktisch mit der Muttermilch
aufgesogen haben, damit er die in ihrer Qualität ganz unterschiedlichen
Vorlagen für dieses Setting umsetzen kann. Manchmal bedeutet das, dass der
Originaltext nur noch als roter Faden oder als Inspiration dient, an dem
entlang man völlig neue Dialoge entwickelt. Aber auch das hat durchaus
seinen eigenen Reiz.
An Condor und Ehapa gemessen ist die Übersetzung für Dino einfach geradlinig
bis zum Anschlag. Hier wird übersetzt, was im Original steht, und wenn die
deutschen Sprechblasen einmal unterschiedlich stark gefüllt sind, wird das
billigend in Kauf genommen. Das Ergebnis ist eine enorme Werktreue, die man
bei lange laufenden Comicreihen vergleichsweise selten findet. Die "Star
Wars"-Comics übersetze ich wie kleine Romane. Ich kann den Spannungsbogen
übernehmen und jeden Höhepunkt mittragen - ein einziger Hochgenuss!
Es ist tatsächlich so, dass ich gelegentlich das Gefühl habe, nie aus meiner
Kinderstube herausgekommen zu sein. Es gab sogar eine Zeit, in der ich mit
mir haderte, weil ich als Erwachsener ausgerechnet Comics zu einem Teil
meines Berufs gemacht hatte. Aber das ist vorbei. Sie sind eine literarische
Ausdrucksform wie jede andere auch, und ich kann weiter Comics lesen und
darf das meinen Beruf nennen, und wenn es mir doch einmal zu dumm wird,
mache ich zur Abwechslung wieder Bücher oder redaktionelle Arbeiten, oder
ich beantworte Leserbriefe.
Es stimmt schon - im Grunde habe ich einen Traumjob.
Dein Einstieg in die "Perry Rhodan"-Serie als Autor erfolgte im
Spätsommer 2001 mit dem Heftroman "Gen-Tod". Wie kam es dazu?
Angefangen hat es eigentlich damit, dass bei Condor die Marvel-Lizenz
auslief. Das war 1996. Panini hatte sich um die deutschen Rechte beworben
und sie auch erhalten, so dass ich fast das ganze Jahr damit verbrachte, die
Superhelden-Comics bei Condor von der Zusammenstellung her und auch
inhaltlich zu einem runden Abschluss zu führen. Einerseits war ich froh,
dass diese doch sehr verknappende Form der deutschen Textpräsentation jetzt
zu Ende ging, aber andererseits nahm Condor etwa die Hälfte meiner
Arbeitszeit ein. Grund genug, dass ich mich fragte, wie es für mich nun
weitergehen sollte. Ich hätte einfach verstärkt Buchübersetzungen machen
können, aber irgendwie schien mir das nicht befriedigend zu sein.
Außerdem juckte es mich schon länger in den Fingern, wieder einmal selber zu
schreiben. Bis auf gelegentliche Kurzgeschichten, die übrigens keine SF
waren, hatte ich das ja seit fünfzehn Jahren nicht mehr getan. Und als alter
Fan dachte ich natürlich gleich an "Perry Rhodan". Also verfasste ich ein
Exposé für ein Taschenbuch, schrieb die ersten zehn Seiten und schickte das
Ganze an Klaus N. Frick, den Chefredakteur der Serie.
Ich ahnte ja nicht, dass ich damit offene Türen einrannte. Ich kannte Klaus
nicht, aber er mich. Schon zu seinen Fanzeiten hatte er mich gekannt und
meinen Werdegang anscheinend genau verfolgt. Jetzt antwortete er mir sehr
herzlich mit Verbesserungsvorschlägen zum Exposé, die ich gern aufgriff. Ich
wollte mich gerade ans Schreiben machen, als der "Planetenroman" eingestellt
wurde. Aus war's mit unserem schönen Projekt. Niemand sollte mehr von dem
glorreichen Kampf erfahren, den sich Ribald Corello mit den Akonen lieferte!
Klaus und ich vereinbarten, miteinander in Kontakt zu bleiben, bis sich eine
Möglichkeit zur Zusammenarbeit ergab, dann überschlugen sich die Ereignisse:
Ich telefonierte gelegentlich auch mit Arndt Ellmer, den ich noch aus dem
Fandom kannte. Als er erfuhr, dass ich wieder schreiben wollte, schlug er
mir vor, einen Frauenroman für Kelter zu beenden, von dem er etwa ein
Drittel fertig hatte. Anfangs etwas skeptisch, setzte ich mich dran, und es
flutschte nur so aus mir heraus. Es war eine wahre Wonne, und der Roman
erschien dann unter Diana del Monte.
Gleichzeitig hatte ich mich an die Leute von "Ren Dhark" gewandt, eine
Serie, die mir als altem Kurt Brand-Fan sehr am Herzen lag. Ich verfasste
eine längere Erzählung und wurde sofort ins Team aufgenommen. Aber noch
bevor ich ein Exposé erhielt, kam eine Mail von Manfred Weinland, den ich
kurz zuvor nach zwanzig Jahren auf einem Buchmesse-Con das erste Mal
wiedergesehen hatte. Er fragte an, ob ich nicht bei seiner Buchserie "Volk
der Nacht" einspringen könne, eine Autorin habe Terminprobleme bekommen.
Natürlich - gern! Und so verfasste ich mit größter Begeisterung und in
Windeseile mehr als die Hälfte des Vampir-Romans "Blutskinder". Manfreds
Einladung, weiter an der Serie mitzuwirken, konnte ich leider nicht
annehmen, weil ich mittlerweile den Auftrag für einen "Ren Dhark"-Sonderband
erhalten hatte.
Und noch etwas hatte sich getan, für mich das Größte überhaupt, etwas, womit
ich nicht gerechnet hatte: Klaus Frick hatte angerufen und gefragt, ob ich
nicht einen Gastroman für "Perry Rhodan" schreiben wolle. Ich war völlig
geplättet und zögerte keinen Augenblick, obwohl ich beim Anblick des Exposés
erst einmal reichlich Fracksausen bekam. Aber im Laufe der nächsten Monate
tauchte ich wieder völlig in das "Perryversum" ein und hatte sehr bald das
Glück, auch redaktionell eingesetzt zu werden. So bearbeitete ich als
Außenlektor nicht nur die Manuskripte für die "Atlan"-Serie "Omega Centauri"
und den Heyne-Sechsteiler "Odyssee", sondern auch die immerhin 52
Taschenbücher umfassende Klassiker-Reihe der "Planetenromane", die der
Weltbild-Verlag als Sammler-Edition in 26 Bänden herausbrachte. Dafür durfte
ich sogar die Auswahl vornehmen und Vorworte verfassen.
Einen schöneren Ersatz für den entgangenen eigenen "Planetenroman" hätte ich
mir nicht wünschen können!
Noch einmal zu den anderen Serien, für die Du vor "Perry Rhodan"
geschrieben hast, u.a. "Terra Astra" und "Ren Dhark". Wo liegt da für Dich
der Unterschied zur "Perry Rhodan"-Romanserie?
Das Schreiben für "Perry Rhodan" ist eigentlich mit nichts anderem zu
vergleichen. Bei "Terra Astra" war es damals so, dass man völlig "frei
Schnauze" eine eigene Handlung erfand, mit eigenen Hauptpersonen und eigenem
kosmischen Hintergrund - SF-Romane eben, die nur nicht als Taschenbuch
daherkamen, sondern sich mit dem halben Umfang begnügten.
Auch meine Erzählung für "Ren Dhark" entstand nach eigener Vorgabe, nur die
Wahl der Hauptfigur erfolgte auf Wunsch des Lektors. Den Sonderband schrieb
ich dann zwar - ebenso übrigens wie den halben Vampirroman - nach einem
Exposé, aber diese Exposés darf man sich nicht wie die bei "Perry Rhodan"
vorstellen. Sie umfassen nur wenige Seiten, vielleicht ein Drittel bis
Viertel der Umfänge "unserer" Serie, und sind bei weitem nicht so
detailliert. Ich hatte kürzlich Gelegenheit, Exposés von William Voltz zu
sehen, und die waren schon sehr umfangreich. Aber seitdem ist das
"Perryversum" weiter gewachsen, und notgedrungen bringt Robert Feldhoff
heute angesichts der Datenfülle noch mehr Stringenz und Fakten in die
Handlung ein.
Ich glaube, niemand, der schon einmal ein neueres Exposé von "Perry Rhodan"
in der Hand hatte, ist nicht anfangs erschrocken und hat insgeheim gedacht:
Was für ein Segen, dass nicht ich mir diese Handlungen ausdenken muss. Und
dann kommt die Bewunderung: Woche für Woche einen roten Faden halten UND
neue Ideen und Charaktere einführen ... Hut ab, Robert!
Wie gehst Du überhaupt einen Roman an, wie muss man sich das vorstellen?
Nun, wir bekommen durchschnittlich einmal im Monat vier Exposés, die
bereits dem jeweiligen Autor zugeordnet sind. Ich drucke mir alle aus, lese
sie gespannt, schüttele ein paar Mal den Kopf angesichts der gewaltigen
Leistung Roberts, und wenn ein Exposé für mich dabei ist, lese ich es
mehrfach und besonders gründlich und vergesse es möglichst schnell wieder.
Dann, einige Tage später, habe ich genügend Abstand gewonnen, um die
vorgegebene Handlung mit eigenen Ideen, vielleicht sogar einer ganzen
Nebenhandlung, zu versehen und in Kapitel zu unterteilen. Ich überlege mir
einen Arbeitstitel, weil mir das hilft, den dramatischen Schwerpunkt beim
Schreiben im Kopf zu behalten. Dann arbeite ich das Konzept Kapitel für
Kapitel ab. Wenn ich das Wörtchen "Ende" getippt habe, beginnt für mich
alles erst noch mal von vorn. Erneut wird abgeglichen und stilistisch
gefeilt, der eine oder andere Absatz herausgestrichen und hinzugeschrieben,
bis ich das Gefühl habe, das Ergebnis liest sich wie aus einem Guss und wird
das kritische Auge des Lektors passieren. Und immerhin sind es drei
Personen, die das Manuskript nach verschiedenen Kriterien auf seine
Stimmigkeit durchforsten. Da kommt es dann schon gelegentlich vor, dass man
eine lange Wunschliste mit Korrekturen erhält, die noch eingearbeitet werden
müssen.
Das Exposé gibt eine Menge vor, aber man kann nicht gerade behaupten, dass
es einem die Arbeit abnimmt. Ich halte es sogar für erheblich schwieriger,
nach dermaßen detaillierten Handlungsvorgaben einen lockeren und spannenden
Roman zu schreiben als in Eigenregie. So viel gibt es dabei zu beachten: Man
muss nicht nur in den anderen jüngst entstandenen Exposés nachschlagen,
sondern auch in den Sammeldatenblättern und Mastergrafiken, die eigens zu
diesem Zweck von Rainer Castor und Dirk Schulz geschaffen werden, immer
wieder auch in den Manuskripten der Kollegen, die uns ja Monate vor
Erscheinen digital vorliegen, nicht zuletzt wegen der Eigenschöpfungen, auf
die wir untereinander gerne Bezug nehmen. Es vergeht eigentlich kein Roman,
für den man nicht sehr viel im Team telefoniert oder Mails wechselt.
Der Aufwand ist wirklich enorm - aber das Resultat weist eine Dichte und
Kohärenz der Handlung auf, wie sie keine andere Heftserie zu Stande bringt.
Ich glaube, das ist das Geheimnis des großen Erfolgs dieser Serie: "Perry
Rhodan" ist wahre Teamarbeit!
So ganz nebenbei schreibst Du ja auch noch an einer Chronik der "Perry
Rhodan"-Serie und gräbst dabei viel historisches Material aus, u.a. Fotos
der Macher der italienischen Perry-Popart-Comics und einiges mehr. In der
Redaktion staunt man nicht selten über Deine Beharrlichkeit und Akribie. Wie
muss man sich Deine Recherche-Arbeit vorstellen?
Das hat mit der Zeit eine Eigendynamik angenommen. Anfangs lautete mein
Auftrag schlicht, das Konzept von Heiko Langhans weiterzuführen, der die
Chronik nach den ersten drei Folgen zeitlich nicht mehr auf die Reihe bekam.
Sabine Kropp rief mich an und fragte, ob ich mich der Sache nicht annehmen
wolle, und ich sagte gern zu. Schließlich hatte ich mich schon immer für die
Hintergründe und Zusammenhänge von "Perry Rhodan" interessiert.
Anfangs arbeitete ich noch mit den wenigen offiziellen Quellen, die jedem
Leser leicht zugänglich sind, etwa den beiden Biografien der Seriengründer,
die Heiko schrieb, oder den Artikeln und Meldungen in den seinerzeit
erschienenen Heftromanen. Aber das befriedigte mich nicht. Ich wollte nicht
zum hundertsten Mal die gleichen Zusammenhänge herunterbeten, sondern
Entdeckungen machen. Also begann ich selbst zu recherchieren.
Allerdings steckte ich noch mitten in den Sechzigern, und wie sollte ich
etwas Neues herausfinden oder Klarheit in bestehende Unklarheit bringen,
wenn die beteiligten Autoren und Lektoren nicht mehr am Leben waren? Ich
wich auf Beobachter des Zeitgeschehens aus, die aus der zweiten Reihe heraus
aktiv gewesen waren. Etwa auf Dirk Hess, der mir einige herrliche Fotos der
"Perry"-Comic-Macher "vermachte" und von seinen Plänen mit Willi erzählte,
eine Horrorserie ins Leben zu rufen, für die Willi sogar ein Manuskript
schrieb. Ein anderer ist Bernt Kling, der von seiner Begegnung mit K. H.
Scheer berichtete, der ihn aufforderte, bei "Perry Rhodan" mitzuschreiben,
was Bernt Kling aus politischen Gründen ablehnte, und seinen Plänen, mit
Günter M. Schelwokat und einigen jungen, von der Studentenrevolte geprägten
Autoren eine alternative SF-Serie namens "Supernova" ins Leben zu rufen.
Oder Werner Giesa, ein persönlicher Freund von Kurt Brand, der mich schon
oft auf neue Fährten gesetzt hat ...
Und jetzt gelange ich seit einiger Zeit in den Bereich, in dem die
Zeitzeugen noch leben, und bin stolz darauf, dass Veteranen wie H. G. Ewers,
Hans Kneifel, Ernst Vlcek und H. G. Francis mir ihr Vertrauen schenken, aber
auch Horst Hoffmann oder Horst Huebner, der Hauptautor und Redakteur von
"Zeitkugel" und "Erde 2000", oder Wilfried Hary ... oder ... oder ...
Als besonderer Glücksfall erwies sich, dass nach einiger Zeit Willis Witwe
Inge Mahn mit mir Kontakt aufnahm, weil ein paar Fakten über ihren ersten
Mann nicht ganz richtig wiedergegeben waren. Meine schriftlichen Quellen
hatten einfach falsche Angaben gemacht. Da Frau Mahn und ich nur wenige
Kilometer voneinander entfernt wohnen, wiederholte ich sehr bald meinen
letzten Besuch im "Hause Voltz", der freilich zwanzig Jahre her war, und wir
verstanden uns auf Anhieb ausgezeichnet. Sie war gern bereit, mir mit allem
Material weiterzuhelfen, das ihr zur Verfügung steht, so dass ich jetzt bei
meiner Arbeit an der Chronik auf Willis kompletten Briefwechsel und private
Unterlagen zurückgreifen kann. Das ist nicht nur primär wichtig, weil ich
dadurch Originalmaterial präsentieren kann, sondern auch insofern, als es
mich auf bestimmte Projekte und Begebenheiten aufmerksam macht, von denen
ich sonst nichts mitbekommen oder die ich sonst aufgrund mangelnder
Quellenlage nicht richtig hätte einordnen können. Deshalb ist mein Dank an
Frau Mahn besonders groß. Die Papiere lassen eine wirklich objektive
Einordnung zu.
Mein Anspruch an die "Perry Rhodan"-Chronik ist im Laufe der Jahre
gewachsen. Anfangs wollte ich mir eigentlich nur selbst einen Überblick über
Inhalt und Zusammenhänge verschaffen. Jetzt, wo schon mehr als 130 Folgen
hinter mir liegen, ist es mir wichtig, eine Bestandsaufnahme der Ereignisse
zu bieten, vertieft um Hintergrundinformationen, die durch den Tod der
Beteiligten sonst in Vergessenheit geraten wären. Das soll zwar auf
unterhaltsame Art geschehen, aber jeder Überprüfung der genannten Daten
standhalten können. Das wird dadurch gesichert, dass in nächster Zeit eine
bearbeitete Ausgabe der sechziger Jahre in Buchform erscheint.Mein Wunsch
ist es, dass die Chronik künftigen Generationen als Fundgrube für die eigene
Beschäftigung mit "Perry Rhodan" dienen möge, als ein gewaltiges Reservoir
an überprüften Fakten und Ideen, aus denen das vorliegende "Perryversum"
entstand. Die Chronik soll auch als Grundlage für die akademische und
wissenschaftliche Beschäftigung mit "Perry Rhodan" tauglich sein, und bei
alledem helfen mir nicht zuletzt die Leser, die immer öfter wichtige
Hinweise einbringen, so dass weitere fast in Vergessenheit geratene Themen
vertieft werden können.
Die Arbeit an der Chronik ist für mich immer wieder faszinierend.
Zum Schluss: Was macht für Dich die Faszination der "Perry Rhodan"-Serie
aus?
Der Teamgeist. Die Weltoffenheit. Die Experimentierfreude aller
Beteiligten. Die grenzenlose Bereitschaft, das Zeitgeschehen in die Zukunft
zu extrapolieren und als Romanhandlung wiederzugeben, dieses "Food for
Thought" - die vielfältige geistige Anregung.
Für mich ist genau das die Aufgabe von "Perry Rhodan", überhaupt aller
Science Fiction: Vorhandenes, das sich vielleicht erst in Ansätzen zeigt,
aufzugreifen und weiterzudenken, so dass mögliche künftige Entwicklungen in
eine Handlung gekleidet werden, die dem Leser die Illusion vermitteln, in
dieser Welt - ob positiv oder negativ - wahrhaft zu leben und ihre Licht-
und Schattenseiten am eigenen Leib zu spüren. Die Reaktion auf diese
Verhältnisse, die futuristische Wendung der Helden gegen die Schurken, ist
gleichzeitig eine Wendung gegen die Keime in der zeitgenössischen
Gesellschaft, die zu solchen negativen Entwicklungen führen.
Science Fiction ist für mich die Aufklärung über das Machbare und die
literarische Mimikry möglicher bis wahrscheinlicher Entwicklungen. Daraus
resultiert das Lebbare.
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